Literatur:Blick nach vorne

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In den Vereinigten Staaten wurde ihr Buch zum Bestseller: Fatima Farheen Mirza. (Foto: Jürgen Frank)

Die US-Autorin Fatima Farheen Mirza erzählt in ihrem Debüt von einer muslimischen Familie im heutigen Kalifornien

Von Yvonne Poppek

Ob sie das Kopftuch tragen oder nicht, dürfen die beiden Mädchen selbst entscheiden. Immerhin sind sie die einzigen in ihrer Schule, die den "Hijab" anlegen. Sowohl Hadia als auch Huda bedecken freiwillig ihr Haar - der Tradition verpflichtet und zur Zufriedenheit der Eltern. Doch dann kommt der 11. September, und die Situation wird schwierig. Der Vater, ein gläubiger Moslem, bittet seine beiden Töchter, erst einmal auf das Kopftuch verzichten. Er selbst stutzt sich den Bart. Dennoch wird sein Sohn Amar in der Schulumkleide verprügelt, weil sein Vater aussieht wie ein "verdammter Terrorist".

Es ist ein hilfloser, bedrückender Moment, den die US-amerikanische Autorin Fatima Farheen Mirza in ihrem Debütroman beschreibt. "Worauf wir hoffen" (dtv) lautet der deutsche Titel ihres Buches, das in den USA zum Bestseller wurde und das sie am Freitag, 22. März, im Literaturhaus vorstellt. Darin bekommt die schiitische Familie, die in einer Stadt in Kalifornien lebt, die Folgen des 11. Septembers zu spüren. Vor allem die Kinder. Trotzdem sind die Anschläge nur Momente unter vielen, die sie prägen. Denn anders, als es in Zeiten des weltweiten Terrors von Islamisten und Rechtsradikalen, von Kopftuch- und Kruzifix-Debatten zu vermuten wäre, stellt Mirza über weite Strecken das Politische hinter das Private.

In erster Linie ist "Worauf wir hoffen" also eine Familiengeschichte. Laila und Rafik sind muslimischstämmige Inder, die in die USA eingewandert sind. Ihre drei Kinder wachsen in zwei Kulturen auf, besuchen allwöchentlich die Moschee, als sie auch mit den modernen Lockungen von der Spielkonsole über Markenturnschuhe bis zu Alkohol und Drogen konfrontiert werden. Die Vereinbarkeit dieser Gegensätze stellt sie permanent vor Hindernisse, mit denen sie jeweils anders umgehen.

Der Sohn Amar beispielsweise zieht sich komplett aus der Familie zurück. Huda fühlt sich dem Glauben verpflichtet. Hadia, die Älteste, emanzipiert sich, studiert Medizin, wählt ihren Ehemann selbst. Sie ist es, die ihrem Vater eines Tages - in Sorge um ihren drogensüchtigen Bruder - erklärt, dass es nicht darum geht, wie Amar vor Gott dasteht. "Es ist viel ernster", sagt sie. "Es geht um sein Überleben, sein Leben hier auf dieser Erde." Andererseits ist sie tief vom Glauben geprägt und befürchtet, "dass vielleicht eine Frömmigkeit, die Generationen überdauert hat, mit ihr zu Ende gehen würde."

Mirza erzählt die Geschichte dieser Familie in Vor- und Rückblenden. Kreuz und quer führt sie durch die Jahre und lässt die Zeiten beinahe konturlos ineinander übergehen. Zudem wechselt sie permanent die Perspektive, springt von Figur zu Figur, ebenso wie sie von Erinnerungen zu tiefen Reflexionen wechselt. Bisweilen wirkt das etwas überstrapaziert. Am Ende jedoch hat sie die Lebenswege auf diese Art fest verknotet, eine feste Familienbande geknüpft. Ihre Figuren tragen letztlich Allerweltskonflikte aus, die teilweise durch die Glaubenstradition verschärft werden. Mirza hat jedoch weder eine Anklage- noch eine Verteidigungsschrift geschrieben. In ihrem Debüt wird schlichtweg deutlich, wie sich Privates und Gesellschaftliches - der Glaube eingeschlossen - bedingen. Und wie am Ende doch die kleinste Einheit zählt: die Familie.

Fatima Farheen Mirza: Worauf wir hoffen ; Lesung, Freitag, 22. März, 20 Uhr, Literaturhaus , Salvatorplatz 1

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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