Literarischer Marktplatz:Die Fahne des Engagements

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Die Visionen der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage.

Von Roswitha Budeus-Budde

Die internationale Kinderbuchmesse in Bologna fiel dieses Jahr aus. Doch was die langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage, Renate Reichstein, an Kritik und Aufmunterung der Branche mitgeben wollte, beschäftigt sie immer noch. Sie erzählt davon am Telefon.

SZ: Was ist jetzt für Sie in der aktuellen Krise von besonderer Bedeutung?

Renate Reichstein: Es ist wichtig, über Programmstraffung nachzudenken und über die Zielgruppendiskussion. Wir müssen uns viel genauer und gründlicher anschauen, was Kinder und Jugendliche wollen. Alle Verlage veröffentlichen wellenartig das Immergleiche - gerade zu aktuellen Themen, zum Beispiel zur Umwelt oder zur "Me Too"-Bewegung. Sie reden davon, dass sie ihre Programme verkleinern, und wenn man dann die Vorschauen ansieht, stellt man fest, jeder hat ein Buch zu diesen Themen, und keiner liest es.

Welche Folgen hat die augenblickliche schwierige Situation?

Das Gesundschrumpfen wird den Verlagen durch die Krise helfen. Ich hoffe, dass sie so sehen, es klappt auch mit weniger.

Jetzt wurde schon der erste Corona-Titel für Kinder angekündigt.

Das ist entsetzlich, den kann man auch gleich in die Tonne treten - davon wird es aber noch viele geben. Da muss man einfach sagen, jetzt langt es aber. Corona ist noch gar nicht vorbei, und wir sollten wenigstens ein halbes Jahr danach abwarten, um etwas Fundierteres zu schreiben.

Wie können die Verlage ihre Leser erreichen, wenn der Buchverkauf so schwierig ist?

Sie lassen die Autoren ihre Bücher selbst vorlesen. Ich begrüße diese Werbeaktion. Ein Autor kriegt ja ein ganz anderes Gesicht, wenn er in seinem Wohnzimmer oder Arbeitszimmer sitzt. Über das Hintergrundbild zeigt er auch viel von sich, er wird nahbarer, und seine Persönlichkeit wird sichtbarer.

Die Verkaufszahlen im Kinder- und Jugendbuch hatten noch im März um 3,2 Prozent zugenommen. Wie wird es weitergehen mit der kindlichen Leselust?

Die armen Kinder sind ja nicht nur zu Hause gelangweilt. Sie müssen auch noch Schulstoff abarbeiten. Das ist nicht so, dass sie quengeln, ich brauche jetzt ein Buch. Auch wenn es der eine oder andere tun wird.

Wie werden die Verlage diese Krise überstehen?

Mittleren oder eigentümergeführten Unternehmen wird das Überleben besser gelingen, weil sie die Fahne des Engagements hochhalten. Die großen Konzerne erwarten dagegen Gewinne. Ihnen ist das Engagement der einzelnen Mitarbeiter zwar nicht egal, aber nicht so wichtig. Ich hoffe, dass es nicht so ist, aber die Gefahr ist groß. Hoffentlich ist der Atem der Verlage und Buchhandlungen lang genug und die Krise kurz genug. Wenn die Buchmesse in Frankfurt auch nicht stattfindet, dann wird es eng.

© SZ vom 24.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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