Lichtdesign in Clubs:Es werde Lichtshow

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Die Nächte werden heller. Tausende kleine Dioden bedecken Wände, Decken und Böden der Clubs - und sparen trotzdem Energie. Glamour klingt anders.

Tobias Moorstedt

Die Clubnacht und das Diskoleben bilden seit jeher eine Sphäre zwischen Licht und Schatten, Wahrheit und Traum. Die bunten Scheinwerfer helfen dem Alltagsmenschen sich in einem anderen Licht zu sehen, die Stakkato-Blitze des Stroboskops zerhacken das Wahrnehmungskontinuum und verbreiten die verführerische Idee, das in jenen kurzen Momenten der Dunkelheit, in dem die Neonröhre schweigt und der Beat weiter hämmert, die Welt nicht mehr existiert und wirklich alles möglich ist.

Dieser Luxus der temporären Unsichtbarkeit ist jedoch akut gefährdet. Denn seitdem das Standard-Setup von Lichtorgel und Diskokugel in immer mehr Clubs durch übergroße LED-Wände ersetzt wird, werden die Nächte immer heller. Tausende kleine Dioden bedecken die Wände, die Decken und manchmal auch den Boden der Clubs, als hätte jemand den Samen der fluoreszierenden Pilze und Farne aus James Camerons Avatar ausgesät.

Der Clubraum wird zum Bildraum

Die Lichtdesigner der Clubs können per Mausklick und Tastenbefehl bunte Wellen, monochrome Blitze oder auch verpixelte Bilder und Symbole auf den Dioden-erscheinen lassen. Das Interior Design ändert sich in jedem Moment. Die Wand wird zum Screen, der Clubraum zum Bildraum. 3-D-Effekte, ganz ohne Spezialbrille.

Diskotheken sind seit mehr als zehn Jahren im Multimedia-Geschäft aktiv. Schon zu Anfang des Jahrhunderts stand in Clubs wie dem Münchner Harry Klein oder dem Tresor in Berlin neben dem Plattenspieler auch ein Projektor, der die Tonspur durch Dias und Filmsequenzen ergänzte. Diese "Visuals" hatten mal die inhaltliche Tiefe eines Bildschirmschoners, mal schienen sie von der Eisensteinschen Filmtheorie inspiriert zu sein; Bild folgte oder prallte auf Bild, und ergab im Kopf der tanzenden Betrachter vielleicht sogar einen Sinn.

Hybride Klang-Licht-Signale

Die LED-Visuals aber stammen genau wie die elektronische Musik aus dem Computer und haben sich von den Prinzipien der Repräsentationen und der Montage emanzipiert. Die Synchronisation von Synthesizer und Lightshow-Software erzeugt hybride Klang-Licht-Signale, die auf einer vor-narrativen Ebene mit den Synapsen des Partypublikums kommunizieren, und so womöglich der elektronischen Musik die Bildebene verschafft, die ihrem Wesen am besten entspricht.

Wie jede digitale Technologie unterliegt auch die LED-Lichtshow einer exponentiellen Entwicklung, jedes Jahr halbieren sich die Preise und verdoppelt sich die Feuerpower. Die LED-Maschinen, die oft gefährlich klingende Namen wie BB7 oder Daktronic Mag-10-HD tragen, und die bis vor Kurzem noch exklusiver Bestandteil der Bühnenshows von "Radiohead" oder "Massive Attack" waren, kann sich nun schon jede Dorfdisko leisten. Die LED-Revolution führt zu einer Demokratisierung der Überwältigungsästhetik und der Shock-und-Awe-Lichtshow des Stadionpops.

Ein Club-Besuch wird sich vielleicht bald so anfühlen, als würde man in einer Installation von Heinz Mack tanzen, oder in den halluzinogenen Spiegelsälen der Yayoi Kusama. Anders als die Avantgardisten werben die Licht-Designer der Gegenwart jedoch nicht mit Bewusstseinserweiterung sondern mit Nachhaltigkeit. Denn die LED-Dioden, betonen die Hersteller und die Nutzer, verbrauchen nur ein Sechstel der Energie der herkömmlichen Licht-Ausrüstung. Die Tänzer reduzieren ihren Carbon-Footprint. Glamour klingt anders.

© SZ vom 12.4.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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