Letzte Spurensuche:Absturz als Metapher

Lesezeit: 1 min

Fast 250 Mal haben wir in den Künsten Motive gesucht, die in der Gegenwart wiederkehren. Nun endet die "Spurensuche" - mit Henry Kings Film "Der Kommandeur".

Von Gottfried Knapp

Die Kollision und der Absturz zweier Eurofighter der Bundeswehr bei einem Luftkampf-Manöver am Montag und der Tod eines der beiden Piloten haben der Öffentlichkeit wieder einmal etwas von den Gefahren bewusst gemacht, denen Soldaten beim Einsatz in der Luft ausgesetzt sind.

Was in jungen Männern vorgeht, die mit Militärmaschinen in den Himmel geschickt werden, das wird in keinem Film so eindrücklich geschildert wie in dem Spielfilm "Der Kommandeur" (Originaltitel "Twelve O'Clock High"), den der Amerikaner Henry King 1949 auf amerikanischen Air Force Bases, also an Originalschauplätzen gedreht hat. Der Film spielt im Jahr 1942. Die Amerikaner versuchen in den Luftkrieg gegen Nazideutschland einzusteigen. Von Südengland aus schicken sie Bomberverbände in Richtung Festland. Die Verluste bei den ersten Einsätzen sind freilich so katastrophal, dass der Kampfgeist der Truppe zusammenzubrechen droht. Um die Moral zu stärken, wird der von den Fliegern geschätzte, aber an seinem Auftrag zweifelnde Colonel als Kommandeur durch General Savage ersetzt, einen Hardliner, der mit extremer Härte gegen alle vermeintlichen Schwächlinge in der Gruppe vorgeht und bald schon den Hass aller Untergebenen auf sich zieht. Doch im gleichen Maße wie Gregory Peck- er spielt den harten General - als Vorgesetzter das Vertrauen der Flieger verliert, mehren sich die Erfolge draußen an der Front. Dieser krasse Widerspruch gipfelt in einer dramatischen Umkehrung der Verhältnisse: Beim militärisch wichtigsten Einsatz - die Kugellagerwerke in Schweinfurt sollen zerstört werden - will Savage selber fliegen, doch er erleidet beim Besteigen der Maschine einen Nervenzusammenbruch, der ihn für Stunden zum zitternden Wrack macht. An seiner Stelle übernimmt der von ihm am härtesten gedemütigte Sohn eines Generals das Kommando. Diesem vermeintlichen Versager gelingt es, den Einsatz fast ohne Verluste zu beenden.

Neben den psychologischen Konflikten, die sich im Lauf des Films zwischen den am Himmel kämpfenden jungen Fliegern und den am Boden Befehle erteilenden Offizieren entwickeln, baut sich das Kampfgeschehen in der Luft zur zweiten hochdramatischen Konfliktebene auf. Ja der tobende Feuersturm am Himmel, der auf beiden Seiten Opfer fordert, bekommt eine physische Gegenwärtigkeit, die alle zögerlichen Reaktionen bei den Beteiligten gerechtfertigt erscheinen lassen. Henry King ist es gelungen, Originalaufnahmen aus dem Zweiten Weltkrieg so ineinanderzuschneiden, dass der Luftkrieg mit seinen brennend abstürzenden Flugzeugen zum optischen Albtraum wird.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: