Kurzkritiken:Alles für die Katz

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Neues von Gary Victors Inspektor Dieuswalwe Azémar und seinem Verlangen nach Zuckerschnaps, von Scott Bergstrom und seiner Ermittlerin in Montevideo. Und die Lebensgeschichte des Pulp-Autors Elmore Leonard.

Von Fritz Göttler

Der Inspektor Dieuswalwe Azémar hat ein paar Probleme, die er nie endgültig erledigen kann und die er von Roman zu Roman mitschleppt, in denen der haitianische Erzähler Gary Victor von seinen Erfahrungen und Erlebnissen berichtet. Die Kollegen zum Beispiel, die argwöhnen, dass er das Gesetz in die eigene mörderische Hand genommen und ein paar hartnäckige Voodoohexer erledigt hat, ohne dass man ihm dies nachweisen könnte. Die Trunksucht, sein Verlangen nach dem berüchtigten Zuckerrohrschnaps, dem Soro oder dem Kleren, von dem er nicht genug kriegen kann - sogar bei einem Saufwettbewerb schüttet er sich voll. Und sein Wagen, der immer wieder demoliert wird im Kugelhagel und dessen Reparatur schrecklich teuer ist. Das Studium seiner Tochter in den USA schließlich, das nicht billig ist. Und dann kommt, hin und wieder, noch ein Bandenkrieg dazu oder ein Erdbeben in Haiti.

Für den malträtierten Ermittler Dieu-swalwe (" Gott sei gelobt") gibt es eine ganze Galerie von Vorgängern, angefangen mit Chandlers Philip Marlowe. Im vierten Band "Im Namen des Katers" hat er eine delikate Aufgabe zu erledigen, er soll den verschwundenen Georges finden für die reiche Mademoiselle Lebrenier. Georges ist der Name ihres toten Bruders, der bei der Polizei war, aber der gesuchte Georges ist ihr Kater, der verschwunden ist. Es gibt eine ganze Katzenfresserclique in Port-au-Prince, für die nichts herrlicher wäre als ein Schluck Kleren mit einer Portion Katzenfleisch.

Die Aktionen gegen die Hexer verfolgen Azémar bis in seine Träume, das Kopf-ab mit einer Machete: "Langsam fällt sie auf den Savannenboden, als würde ein Film in Zeitlupe angespielt. Das Klingeln eines Telefons begleitet den Fall der Waffe. Im Traum erinnerte ihn die Machete an das Raumschiff in dem Film von Kubrick, den er so liebte: ,Odyssee im Weltraum'. Auch weil der Klingelton des Telefons der Originalmusik nachempfunden war."

Gary Victor: Im Namen des Katers. Aus dem Französischen von Peter Trier. Litradukt Verlag, Trier 2019. 168 Seiten, 12 Euro.

Einer der größten amerikanischen Erzähler hat bei Campbell angefangen. Bei Campbell Ewald, einer alteingesessenen Werbeagentur in Detroit: Elmore Leonard, der sich gern Dutch nannte, und die Literatur und das Kino jahrzehntelang inspirierte. Geboren 1925, gestorben 2013. In den Fünfzigern schreibt er - beruflich - Anzeigen für Chevrolet. Später dann fängt er mit Geschichten an, in der Frühe, täglich von fünf bis sieben Uhr, danach setzt er das Kaffeewasser auf fürs Familienfrühstück. Zwei Cents pro Wort sind drin bei den Pulp-Magazinen, Western oder Krimis. Im Dezember 1961 erscheint seine erste Westerngeschichte im Magazin Argosy. Tausend Dollar gibt es dafür, das passt für den jungen Familienvater. Budd Boetticher und Delmer Daves werden Filme nach seinen Geschichten drehen, Paul Newman wird in der Verfilmung von "Hombre" spielen. Charles Bronson spielt den "Mr. Majestyk". George Clooney ist ganz wild darauf, in der Verfilmung von "Out of Sight" mitzumachen. Stephen King ist einer seiner größten Bewunderer, er hat sich die ganze Stange der Leonard-Romane gekauft: "Fifty-zwo Pick-Up", "Crime Primeval", "Cat Chaser", "LaBrava", "Glitz", Touch, "Get Shorty". Noch ein unbedingter Fan: Quentin Tarantino, der "Jackie Brown" verfilmt und gern hätte, dass seine Dialoge so klingen wie in Leonards Romanen.

Frank Göhre und Alf Mayer lassen liebevoll Leben und Werk von Elmore Leonard Revue passieren, lakonisch und authentisch. Das Leben ist dialektisch, nicht nur in Detroit: "Scheißdreck! Und was machen die Bullen? Wenn du nicht stehen bleibst, erschießen sie dich, die erschießen dich. - Aber das ist doch was anderes. - Der hat unser Geld genommen, sollte er das einfach behalten? Unser Eigentum hast du geschützt, so sieht's doch aus. - Aber wir hatten's gestohlen. - Eben. Und damit gehört es uns."

Frank Göhre, Alf Mayer : King of Cool. Die Elmore Leonard Story. Culturbooks, Hamburg 2019. 237 Seiten, 15 Euro.

Montevideo hat einen ziemlich sauberen Ruf. Die richtige Stadt, um unterzutauchen. Das macht auch Gwendolyn Bloom, die trotz ihrer Jugend schon mitten drin steckt im internationalen Agentenchaos. Sie hat ihren Vater vor der Liquidierung durch die CIA bewahrt, weshalb sie nun auf deren Suchliste steht. Sie nennt sich nun, während sie sich in Montevideo mehr schlecht als recht durchschlägt, Judita, und so heißt auch der erste Teil des neuen Romans von Scott Bergstrom. Die weiteren Teile werden dann die Namen tragen, die Gwen sich auf ihren Fluchtbewegungen - bis nach Zürich und Sarajewo - zulegen muss. Monate lang wird sie Opfer eines Forschungsprojekts, in dem es auch um Liebe geht: "Politische Psychiatrie ist eine radikale Arbeit. Wirklich radikal." Wie sie nach Montevideo kam, erzählte das Buch "Ohne Gnade", und es ist klar, dass auch am Ende von "Ohne Skrupel" Gwen keine Ruhe finden wird.

Scott Bergstrom: Ohne Skrupel. Aus dem Englischen von Christiane Steen. RoRoRo, Reinbek 2019. 510 Seiten, 10 Euro.

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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