Kurzkritik:Zottel-Pop

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Der Engländer James Bay im ausverkauften Zenith

Von Theresa Hein, München

Wenn viele Menschen zusammen singen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich ein Lied gut anhört. Deswegen muss sich James Bay auch keine Sorgen machen, wenn er im ausverkauften Zenith das Singen dem Publikum überlässt: Wenn tausend Frauenstimmen "Hold back the River" trällern, kann sich das nur fantastisch anhören. Überhaupt macht James Bay alles richtig, kein einziges Gesetz der Popmusik verletzt der Engländer. Er hat mit 25 Jahren bereits ein Platin-Album in der Tasche. Mit Jacquire King weiß James Bay einen Produzenten hinter sich, der schon für Tom Waits und Kings Of Leon Preise eingesammelt hat. Er trägt einen Hut, der weniger dämlich aussieht als der von Pharell Williams, und läuft mit langen braunen Zotteln durch die Gegend, damit er nicht ganz konform mit der Masse geht.

James Bay genießt es, dass das Scheinwerferlicht auf der Bühne sich über ihm kreuzt. Die Band ist an diesem Abend mehr für die Hintergrunduntermalung da, aber das ist auch gut so: Es ist James Bays Abend und nur seiner. Bevor der erste Song beginnt, sieht man seine Silhouette hinter einem gigantischen weißen Vorhang, der Vorhang fällt, und los geht die Show, die keine ist, sondern ein mustergültiges Popkonzert. Die Hits "Scars" und "Craving" überragen an Qualität weit jeden Standard-Ed-Sheeran-Popsong, und als er am Ende des Abends nicht mehr genügend Songs im Repertoire hat, covert James Bay einfach "Proud Mary" von der Creedence Clearwater Revival.

Er macht das großartig: Wieder eine Aktion, die ihn aus der Masse der Popstars heraushebt. Bay spielt technisch einwandfreie, zeitlich an das Publikum angepasste Gitarrensoli, driftet nicht zu sehr in den Bluesrock ab und bleibt seinen eingängigen, aber nie simplen Melodien treu. Er singt, dass er vorbeikommt, wenn man sich mal verlieben will. Und wenn der langhaarige James Bay und nicht der Sunnyboy Ben Howard das verspricht, ist das nicht kitschig, sondern sogar ein ganz klein bisschen glaubwürdig: Der James, der kommt vorbei, wenn man ihn braucht. Nach nicht einmal 90 Minuten ist Schluss. Ganz brav, aber doch mit Kanten.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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