Kurzkritik:Widerborstig

Gitarren-Phänomen Eugene Chadbourne

Von Andreas Eberhard, München

Eugene Chadbourne ist ein Phänomen. Wo andere Gitarristen die Saiten nachstimmen, verstimmt er nach. Seine schrägen, unbestechlich amateurhaften Songs, darunter viele Coverversionen, sind naturgewaltige, eigenwillige Geniestreiche. Seit Mitte der Siebzigerjahre hat sich der Autodidakt fast überall ausprobiert - in Rockabilly, Funk, Country, Fusion, Blues und Punk. Am Donnerstag spielte der 64-Jährige mit dem deutschen Schlagzeuger Schroeder und dem Münchener Multiinstrumentalisten Titus Waldenfels im Stragula. Die elektrische Laubharke, eine seiner Erfindungen, hatte er zu Hause in North Carolina gelassen. Stattdessen spielte er auf E-Gitarre und Banjo. Die rustikale Wirtshausatmosphäre passte bestens, auch deshalb, weil seine Musik so klingt, als würde sie selbst gern mal einen heben.

Als musikalische Grundfarbe zieht sich der Country durch den Abend - auch dank Waldenfels, der auf Fidel, Klampfe und Pedal-Steel-Gitarre Jauchzendes und herzzerreißend Jammerndes beisteuert. Schroeder, der mit Weste und schiefer Melone aussieht wie ein Scharlatan-Arzt aus Wildwest, legt ein rumpelig solides Drum-Fundament. So geht es durch Bluegrass-Balladen, Blues-Songs mit Sprechgesang, flotte Kneipenrock-Nummern und Hardrock mit infernalischen Monster-Riffs. Herrlich widerborstig, wie schief Chadbourne den offenen Akkord am Strophenende von "Under the bridge" der Red Hot Chili Peppers zelebriert. Oder ein Herzschmerz-Song: Mit ironischem Verständnis singt der Hüne im Batik-Hawaiihemd über den Nebenbuhler; schließlich ist die Gattin "really something to come home to". Oder das Cover von Aretha Franklins "Chain of fools", bei der Schroeder sein Schlagzeug mit einer massiven Eisenkette spielt. Zusammen mit Waldenfels' Akustikgitarre, die druckvoll wie ein Bass klingt, groovt das wie Hulle.

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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