Kurzkritik:Weltenwanderung

Das Australian Chamber Orchestra

Von Klaus P. Richter, München

Vom enigmatischen Schwanengesang Bachs über Mozart zum letzten Beethoven: eine Weltenwanderung von Kaliber im Herkulessaal. Bei den ersten vier Contrapunkten aus Bachs Kunst der Fuge transformierte das Australian Chamber Orchestra durch seine Ensemble-Bearbeitung viel von der transzendenten Aura des Rätselwerks Bachs in expressiven Streicherglanz. Durch atmende Phrasierung und bewegte Dynamik bekam die Fugenrationalität fast schon rhapsodische Qualität, durch das durchgängige Pizzicato in der vierten Fuge originelle Frivolität.

Eine andere "Rationalität" betrat dann mit Pierre-Laurent Aimard das Podium. Der Messiaen-Adept, gewaschen mit allen Wassern der Avantgarde und dafür 2017 mit dem Ernst von Siemens-Musikpreis ausgezeichnet, verwandelt seine Rationalität in brillante Virtuosität. In Mozarts Klavierkonzert B-Dur, KV 450, Auftakt zur spektakulären Reihe seiner Wiener "Akademien", zähmt er seinen Auftakt gleich bei der Solokadenz des ersten Satzes zu kühler Grazie. Die Dialoge mit dem animierten Ensemble in den Andante-Variationen gelingen präzise und das Schlussrondo, das Mozarts eigenes Urteil, wonach das Konzert "schwitzen macht", glänzend bestätigt, bewältigt Aimard bravourös mit kristallinem Feuer. Als denkbar größter Kontrast zum meditativen Spätwerk Bachs präsentierte sich dann der späte Beethoven. Mit dem Streichquartett op. 130 und der Großen Fuge op. 133, beide in einer Fassung für Streichorchester des Maestros an der ersten Violine, Richard Tagnetti, brach ein vulkanisches Feuer aus. Das australische Ensemble versenkte sich mit leidenschaftlicher Intensität in Beethovens bizarre Klanglandschaften, strukturierte mit mitleidsloser Schärfe und arbeitete die verschiedenen Physiognomien des Fugenthemas heraus. Trotzdem gelang ihm in der "Cavatina" jener berührende Seelenton, der immer auch zum Wiener Titanen gehört.

© SZ vom 11.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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