Kurzkritik:Wahnwitzig

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Andreas Ammers Hörspiel über Ben Hecht in den Kammerspielen

Von DIRK WAGNER, München

Als Regisseur der Fernsehsendung "Druckfrisch" weckt Andreas Ammer Interesse an Büchern. Als Hörspielmacher belebt er solche in einer Weise, dass man selbst schwere Textvorlagen wie Dantes "Inferno" für Popsongs halten könnte. Dabei lässt Ammer sich auch von Popmusikern unterstützen, so dass seine Hörspiele sogar als Konzerte funktionieren. So etwa in den Kammerspielen, wo er mit sieben Sprechern und der Hochzeitskapelle auf der Bühne sitzt und sein jüngstes Werk, die Adaption von Ben Hechts Erinnerungen an Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg als "This Is Ben Hecht", aufführt.

Als erster amerikanischer Reporter berichtete Hecht für eine US-amerikanische Zeitschrift aus dem damaligen Nachkriegsdeutschland. Wie die in seiner Autobiografie "A Child Of The Century" zu lesenden Reportagen beschreiben, begreift Hecht diesen Aufenthalt auch als aufregende Party. Samt einem Bomber, den er sich besorgt, um damit von Berlin nach München zu fliegen, wo gerade der Freistaat ausgerufen wird. Denn so wie der Teufel im Rolling Stones-Klassiker "Sympathy For The Devil" war auch Hecht nach eigenem Bekunden immer dabei.

Ein in unisono intoniertes "Hu Hu" der Sprecherinnen Eva Löbau und Judith Huber erinnert an den Chorgesang des Stones-Klassikers, aus dem Dan Grünwald als Ben Hecht die eigene Vorstellung zitiert: "Please allow me to introduce myself. I am a man of wealth and..." Hier unterbricht das Zitat. Nein, ein Mann von Stil ist er nicht, wie es nun im Stones-Text hieße. Sondern einer von der Presse. Als solcher hatte Hecht schon mal einen selbst gegrabenen Riss im Garten fotografiert, um damit auflagefördernd einen vom Erdbeben gerissenen Spalt durch Chicago vorzutäuschen. Wenn so einer nun aus der ohnehin wahnwitzigen deutschen Nachkriegsgeschichte berichtet, ist ein wieder zu zweit gesprochenes "Tell Me More. Tell Me More" aus dem Musical "Grease" ein angemessener Kommentar.

Die Räterepublik also als Schmierenkomödie? Aufgeschrieben vom möglicherweise ersten Popliteraten, dessen US-amerikanische Identität bereits größere Revolutionen verinnerlicht hatte? Irrwitzig ist das zumindest. Doch in Ammers Umsetzung mit dem Maler Bernd Zimmer als Georges Grosz, oder dem Musiker Andreas Staebler als Dr. Max Levien ist die Live-Inszenierung zudem ein großer Rock'n'Roll-Zirkus, dem man nur eine bessere Klangtechnik gewünscht hätte. Teile des gesprochenen Textes wurden nämlich zu sehr vom Sound der Hochzeitskapelle übertönt. Andererseits sagt Musik ja bekanntlich oft mehr als tausend Worte.

© SZ vom 18.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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