Kurzkritik:Von der Rolle

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Die Sängerin Zaz im ausverkauften Zenith

Von Ralf Dombrowski, München

Es fällt Isabelle Geffroy schwer, sich zu entscheiden, ob sie lieber France Gall oder Édith Piaf folgen will. Als die Sängerin aus Tours unter dem Namen Zaz zu Beginn des Jahrzehnts international auf sich aufmerksam machte, war sie die neue Kraft des unabhängigen Chansons, frech und selbstbewusst, eine junge Frau, die auf der Basis der Tradition ihre Unabhängigkeit proklamiert und diesen Anspruch in eingängigen Liedern mit einem Hauch von Straßenmusik und Unmittelbarkeit formulierte.

Nun aber sorgt sie für ein ausverkauftes Zenith und versammelt ein vielgestaltiges Publikum in der Halle, das einerseits Bestuhlung vertragen könnte, auf der anderen Seite auch gerne die französische Sause machen würde. Und nicht nur die Erwartungen in der Halle differieren, auch die Idee der Künstlerin von ihrer eigenen Rolle, ihrer Musik und ihren Botschaften ist nicht greifbar. Zum einen ist sie die engagierte Philanthropin, die ihre Bildungsinitiative Zazimut präsentiert und eine Vertreterin der Arche aufs Podium holt, die Spenden und Engagement für unterprivilegierte Kinder bewirbt. Dann wieder ist sie die in Montmartre erprobte Kleinkünstlerin, die ihre Combo auf dem Laufsteg vor der eigentlichen Bühne versammelt, um im inszenierten Hinterzimmer pfiffige, swingende Chansons zu präsentieren.

Über lange Strecken ist sie aber auch die Popfigur ihres neuen Programms "Effet Mirror", das sich im 08/15-Pathos von Genre-Klischees erschöpft, ohne die sorgsam produzierte Intensitäts-Balance des Albums umzusetzen. Für Zaz selbst ist das kein Problem, denn sie findet sich in allen Rollen wieder und betont in den Ansagen, wie sehr sie die kulturelle Vielfalt liebt und braucht. Ihre hinreißend charmante, im Timbre markante Stimme könnte auch das Element sein, das die vielen Ideen verbindet, denen sie folgt. Doch die zwischen den einzelnen Ansprüchen pendelnde Dramaturgie gibt keinen überzeugenden Aufbau her. Zaz wirkt unentschlossen und das passt nicht zu ihr.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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