Kurzkritik:Vielfarbig

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Anne-Sophie Mutter, Fabio Luisi und die Philharmonia Zürich

Von Rita Argauer, München

Vor kurzem erst hat Fabio Luisi die Münchner Philharmoniker mit einem sperrigen Programm aus Weberns Orchesterstücken und Mahlers neunter Symphonie dirigiert. Nun ist er zurück in der Philharmonie, steht der Philharmonia Zürich vor und zeigt, dass seine kleinteilige und an die Substanz greifende Akkuratesse auch einem wesentlich zugänglicheren Programm gut tut.

Anne-Sophie Mutter steht ihm als Solistin zur Seite, und in Max Bruchs erstem Violinkonzert verfeinert sie Luisis zum Teil fast etwas zu sehr konstruierte Dynamik mit emotionalen Farben. Vor allem im ersten Satz funktioniert das prächtig. Mutter ist ebenso virtuos in der Variabilität des Ausdrucks wie in ihrer Technik. Jeden Einsatz ihrer Solo-Stimme färbt sie anders ein. Und auch, wenn ihre Ausdrucksfacetten zum Teil nicht mehr die frischesten sind, die verschiedenen Klangvorschläge beeindrucken: Zuerst der für sie typische warme, glorreich-feste und fast ein wenig aggressive Akkordklang, dann plötzlich eine introspektiv-suchende Haltung und schließlich feierlich, stolz und ein wenig verhärmt, woraufhin Luisi das Orchester das erste Mal voll ausfährt. Und auch wenn der zweite Satz in seinen Läufen ein wenig ziellos gerät, holt Mutter durch markante Verzögerungen und fast schlagender Bogenführung im dritten Satz die Aufmerksamkeit zurück.

Anschließend wagt man sich mit Toru Takemitsus "Nostalghia" von 1987 beinahe in die Gegenwart. Doch das, harmonisch in Tristan-Uneindeutigkeiten und rhythmisch in ewigem Aufwallen verharrende Stück mag keine rechte Linie bekommen. Mutters Facetten - mal Zittern, mal warme Fülle - wirken hier austauschbar. Eine Freude ist dann Brahms vierte Symphonie am Ende. Schon mit Carl Maria von Webers "Oberon"-Ouvertüre zu Beginn zeigten die Zürcher unter Luisi, dass ihnen die mit klassischer Strenge vorgetragene Romantik sehr gut steht. In Brahms komplexerem Werk entstehen daraus dann herrlich ausgeklügelte Momente transparenter Orchesterstimmen, die sich mit Stellen von Tutti-Fülle abwechseln, die nie in plumpe, aber in durchaus emotionale Überwältigung abrauschen.

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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