Kurzkritik:Viel Schönes

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Pianist Stephan König und sein verjazztes Weihnachtsoratorium

Von Oliver Hochkeppel, München

Es ist die Zukunft: Klassik und Jazz werden aufeinander zugehen, schon alleine, weil immer mehr junge Musiker neugierig, stiloffen und in beiden Richtungen ausgebildet sind. Gewissermaßen einen Zwischenschritt konnte man bei "Bachs Weihnachtsoratorium in Jazz" im Herkulessaal erleben. Viel Schönes hat sich der Leipziger Pianist Stephan König bei der Bearbeitung für Jazz-Quartett, vier Gesangssolisten, das Bach-Orchester Iffeldorf und den Klang-Kunst-Chor ausgedacht, und das riesige Ensemble unter Leitung von Andrea Fessmann - die auch die Idee hatte - setzt das im Rahmen seiner Möglichkeiten auch exzellent um.

So erzählt König nach wie vor die Weihnachtsgeschichte, vorzugsweise über die Rezitative von Martin Petzold, aber auch mal im natürlichen Swing-Gesang von Anna Holzhauser. Und garniert mit klugen Einfällen wie dem, sich vor dem Abgang in die Pause das "Lasset uns nun gehen gen Bethlehem" zuraunen zu lassen, das ja sonst mitten im dritten Teil steht. Kurz vor der Pause erklingt beim "Ehre sei Gott in der Höhe" auch die mitreißendste, gelungenste Passage: Weil hier alle im Jazz-Spirit miteinander musizieren, weil sich hier die Stile in der Bearbeitung wirklich durchdringen, aus der Vorlage etwas wirklich Neues entsteht, ohne sie zu verleugnen.

Gerade letzteres freilich gelang nur selten. Meist war es ein Nebeneinander von weitgehend originalen Passagen und diversen jazzigen "Kommentaren", mal im Latin-Rhythmus, mal als Ballade, mal als Blues. Da reihte sich das Werk in die Versuche vom "Third Stream" bis zu den "Verjazzungen" à la Jacques Loussier ein, Grundelemente beider Genres zusammenzuzwingen, was - wie oft auch hier - in einem Nebeneinander stecken blieb, weil die Jazzer nicht in den klassischen Ton, die Klassiker nicht in die wirklich swingende Jazz-Rhythmik finden. Das Ganze ist zweifellos ein hochinteressantes Experiment, das Wege aufzeigt, die - vielleicht in kleinerer Form und Besetzung - erst noch gegangen werden wollen.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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