Kurzkritik:Viel Nettes

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Georg Ringsgwandl und Band in den Kammerspielen

Von Ralf Dombrowski, München

Brav ist Georg Ringsgwandl geworden, vom Gurkenkönig und Gaudiburschen zum Alltagsphilosophen mit Restblues-Erfahrung. Man merkt es nicht nur ihm selbst an, sondern auch Bühnenaccessoires wie dem Gitarristen Nick Woodland. Der sitzt zwar mit auf dem Podium der Kammerspiele, als Reminiszenz an die Tage der gepflegten Wildheit, als sich Ringsgwandl gerade den Mutationen vom anarchisch bayerischen Liedermacher und Stationsarzt zum Kabarettpreisinhaber hingab, fügt aber dem Ensemble kaum noch mehr als ein paar Färbungen mit Dobro und Mandoline hinzu.

Seinen Job hat längst Daniel Stelter übernommen, ein junger Saitenkollege aus dem Mainzer Raum, dem neben dem Protagonisten des Abends am meisten Zeit im Programm für zumeist folkrockige Einlagen eingeräumt wird. Außerdem vervollständigen der Jazz-Bassist Christian Diener und der reduktionistische Schlagzeuger Tommy Baldu das Team, eine smarte, freundliche und spielkompetente Mannschaft, auf deren dezent Blues-getönte und dynamisch ausgefeilte Arbeit sich Ringsgwandl verlassen kann.

Er selbst wiederum jongliert, feinsemiotisch versiert, mit den früheren Exaltationen. Die Jeansjacke kommt im ersten Set zum Einsatz, modischer Gegenpol zu den Liedern seines "Woanders"-Albums, die von der Liebe, vom Tod und dem mehr oder weniger melancholischem Alltag erzählen. Die zweite Konzerthälfte im Anzug holt die Gassenhauer aus der Kiste, die von "Hühnerarsch sei wachsam" und "Lebn ois wiara Kuah" bis zu "Nix mitnehma" in der Zugabe den Anarchisten anklingen lassen. Dazu gibt es viele Moderationen über das subversive Potenzial der Zither, kleine Seitenhiebe auf den experimentellen Geist der Kammerspiele, letztlich also viel Nettes von einem, der einst vogelwild war. Die Kleinkunst ist im Bildungsbürger-Theater angekommen. Der Preis dafür ist der Verlust der Frechheit.

© SZ vom 28.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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