Kurzkritik:Turbulent

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"Yalta Club" zeigen im Feierwerk Wege aus der Ohnmacht

Von Sarah Bioly, München

Irre, durchgeknallt, verrückt. Diese Wörter, im positiven Sinn, fallen einem als erstes ein, wenn man die französische Band Yalta Club kennt. Es ist ihr Weg, auf die gesellschaftliche Ohnmacht zu reagieren. In ihren Texten sprechen sie es aus: Die Menschen versumpfen im Überfluss. Yalta Club versuchen, ihre Zuhörer aus der Bewusstlosigkeit herauszureißen. Dementsprechend turbulent ist auch die Musik auf ihrem neuen Album "Hybris", das sie im Feierwerk vorstellen.

Schellen, Kastagnetten und eine Trompete mischen sich zu Gitarren, Keyboard und Schlagzeug. Indie-Pop trifft auf Folkmusik, und heraus kommt etwas eigenes, das gewöhnungsbedürftig ist. Etwas, das sich durchaus als durchgeknallt bezeichnen lässt. Auch die wild tanzenden Musiker wirken in ihren weißen Hemden, Sakkos und mit ihrem Goldschmuck ein wenig verrückt - passend zu der in vielen Texten vorherrschenden Endzeitstimmung, aber eben auch irritierend. Die Ballade "Love", eine Ode an das Ende der Welt, sorgt für Gänsehaut bei den Zuhörern. Nur mit einer Trommel und einem Chor wird die Apokalypse musikalisch eingeleitet und optisch durch einen aus kleinen Lichtern bestehenden Sternenhimmel symbolisiert. Diese Beklemmung, die man nicht nur im Text spürt, sondern oft im Alltag mit sich herumschleppt, wollen die Musiker loswerden. "Lasst alles raus", fordert Corinna Krome, die deutsche Keyboarderin und Backgroundsängerin, das Publikum auf und holt die Leute auf die Bühne, um mit der Band zu tanzen. Zusammen mit den ehemaligen Straßenmusikern Julien Geffriaud, Nicolas Dhers, Thomas Emeriau und Sebastien Daviet feiern Krome und die Besucher eine wilde Party.

Ursprünglich waren Yalta Club zu sechst, aber finanzielle Nöte haben den Gitarristen Arthur Brossad gezwungen, die Band zu verlassen. Trotzdem blieb ihr charakteristischer Sound und die Atmosphäre, die sie erzeugen, erhalten. Yalta, das bedeutet reisen und entdecken. Politik, Gesellschaft, Strand und Lebensfreude. Im Feierwerk begeben sich die fünf Musiker auf ebendiese Reise. Und erleben, wie das Publikum die anfängliche Schüchternheit ablegt. Die Durchgeknalltheit der Band ist halt ansteckend.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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