Kurzkritik:Testosterontartar

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Die Rapper Kollegah und Farid Bang im Zenith

Von Ralf Dombrowski, München

Nett wollen sie nicht sein, aber dann irgendwie doch. Schließlich ist das Konzert ab 14 Jahren zugelassen und wegen des großen Andrangs außerdem ins große Zenith verlegt worden, weil sich erstaunlich viele Nachwuchshörer in den Männerfantasien von Felix Martin Blume und Farid Hamed El Abdellaoui wiederfinden. Nett ist das nicht, was sie rappen, aber der bewährt detailschluckende Sound des Hallenschlauchs in Freimann sorgt dafür, dass viele der inhaltlich zweifelhaften bis stellenweise ekelhaften Passagen im Mix verschwimmen und, so der Fan den Text nicht eh auswendig kennt, nur ein paar identifizierbare "Hurensöhne" und "Düsseldorfer" übrig bleiben.

Es ist eine Gratwanderung, in den Moderationen versöhnlich, kumpelhaft, manchmal sogar in Ansätzen selbstironisch zu bleiben, wenn es etwa um die Dresche geht, die Kollegah im vergangenen Frühjahr einem Fan in Leipzig zugedachte, und die jetzt in schon beinahe übergroßen Gleichmut gegenüber einem schmalen Hemd aus dem Publikum mündet, das drei Songs lang auf der Bühne mithampeln darf. Da werden T-Shirts ins Publikum geschmissen und kurz darauf unkorrekte Reime über Sex, Drogen, Gewalt hinterhergeschickt, eine Art Testosterontartar im Zuckergussmantel, der den markigen Beats und den Muskelbergen im Tanktop die Aura des Fitnessstudios austreiben soll.

Aber das ist überhaupt ein Grundproblem des erfolgreich gewordenen "Jung, brutal, gutaussehend"-Programms, mit dem Kollegah und Farid Bang den eigentlich dahinsiechenden Gangsta-Rap zurück in die Jugendzimmer geholt haben. Da jubelt eine ganze Halle junger Menschen, die es sich leisten können, zwei Stiernacken zu, die Karrieren von genau solchen Leuten beschwören, die dem Publikum ihre schicken Jacken bei Gelegenheit an einer finsteren Ecke abziehen würden. Das popkulturelle Muster dahinter ist alt: Auf der Bühne stehen die, vor denen die Eltern immer gewarnt haben. Nur heute sind es keine Revoluzzer mehr. Die bösen Buben kokettieren vielmehr mit dem Steroid-Charme archaischer Männlichkeit als Gegenmodell zu zivilisatorischen Errungenschaften des wertschätzenden Zusammenlebens und werden prompt genau von der Gesellschaft unterstützt, der sie - glaubt man den gerappten Narrativen - am liebsten ins Gesicht schlagen würden. Wie absurd ist das denn!

© SZ vom 10.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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