Kurzkritik:Tempobolzereien

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Daniel Karlsson Trio spielt in der Unterfahrt

Von Oliver Hochkeppel, München

Das "Taxibot" hat er immer noch, die kleine Fähre, mit der er zwischen Stockholm und der Schäreninsel pendelt, auf der er mit 250 anderen Bewohnern lebt. Doch Daniel Karlsson fährt sie inzwischen seltener, seit er der feste Pianist von Oddjob und der Band von Magnus Öström ist, dem ehemaligen e.s.t.-Schlagzeuger. Und auch sein eigenes Trio schiebt Daniel Karlsson wieder verstärkt an, nachdem er für sein letztes Album "Fusion For Fish" den schwedischen Grammy gewann. Mit dem soeben erschienenen Nachfolger "Ding Dong" ist er jetzt auf Tour, und in der Unterfahrt demonstrierte er, dass er in mehrerlei Hinsicht der legitimste der vielen Nachfolger von e.s.t. ist.

Das beginnt schon mit dem Gespür für minimalistische, dafür umso eingängigere Themen und Melodien. Die werden wie einst bei e.s.t. schleifenförmig umspielt, variiert, dynamisch aufgeladen und - auf den Alben mehr als live - mit Sounds angereichert. Wobei Daniel Karlsson als Spezialität gerne zwei überlappende, mitunter gegenläufige Motive auf linke und rechte Hand verteilt, von denen eines dann oft von Christian Sperings Bass gedoppelt wird. Ohnehin ist die Rhythmik ganz auf dem aktuellen Stand, oder wie es ein anwesender Musiker so schön formulierte: 15 ist die neue 4. Soll heißen, dass Karlssons Trio allerlei ungerade Metren verwendet. Allerdings absolut flüssig und im Zusammenspiel bis auf die Tausendstel exakt, weshalb das alles völlig "gerade" klingt. Ohnehin verleiht der großartige Schlagzeuger Frederik Rundqvist noch den vertracktesten Wechseln einen federnden Groove.

Ob also alte Hits wie "Cousin Cuisine" oder neue Stücke wie "A Man And His Umbrella", ob Balladen oder Tempobolzereien, es gibt derzeit wenig andere Musik, die so ökonomisch das Maximum aus den eingesetzten Mitteln herausholt, die so atmet und einen derart in Schwingung versetzt. Wenn Nachfrage nach Qualität ginge, müsste ein weltweit wachsendes Publikum Karlsson noch weit weniger Boot fahren lassen.

© SZ vom 06.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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