Kurzkritik:Süß im Ton

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David Garrett in der Philharmonie

Von Michael Stallknecht, München

David Garrett hat begeisterungsfähige Fans. Kaum ist der letzte Ton von Tschaikowskys Violinkonzert verklungen, da gibt es auch schon Standing Ovations. Und die Zugabe findet schon Jubel, als Garrett nur den Komponistennamen Niccolò Paganini ankündigt. Klar, Garrett ist der Mann, der den Paganini im Film gespielt hat und dessen mediale Präsenz bisweilen überhaupt größer ist als seine Rolle im engeren Klassik-Business.

Dabei zeigt schon die Programmwahl, dass Garrett beim Auftritt in der Philharmonie als klassischer Geiger ernst genommen werden will. Auf dem Programm steht Peter Tschaikowskys Vierte Symphonie, danach das Violinkonzert. Ein Klassikabend also nach Standardmodell, nur in anderer als der üblichen Reihenfolge. Die Umkehrung soll wohl die Spannung für Garretts Auftritt erhöhen, was die Interpretation von Tschaikowskys Vierter durch das Sinfonieorchester Basel aber leider nicht leistet. Das Dirigat des durchaus angesehenen Dennis Russell Davies bleibt nämlich ausgesprochen bräsig. Nachvollziehbar also, dass David Garrett beim Violinkonzert fast ins Dirigentenpult hineinkriecht, um Davies direkt ins Ohr zu geigen.

Wobei man nicht genau weiß, ob er sich dort nicht auch ein wenig versteckt. Denn Garrett wirkt nervös, im Kopfsatz klingen viele der kleineren Noten strohig und ruppig. Alles in allem kommt er souverän durch das technisch anspruchsvolle Stück, das er schon in seiner Wunderkindphase auf Platte aufgenommen hat. Die Interpretation bleibt in den Bahnen romantischen Virtuosentums, mit vielen willkürlichen Freiheiten im ersten Satz. Die Höhen singt Garrett mit süßem Ton aus, und im langsamen Satz ist sein brünstiges Schmachten sowieso am richtigen Ort.

Vielleicht sind die Fans dennoch enttäuscht, dass nach einer guten halben Stunde schon alles vorbei ist. Denn als Zugabe gibt es neben Paganinis "Il Carnevale di Venezia" nur das Arrangement eines Songs von Michael Jackson - so klassisch wie möglich eben.

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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