Kurzkritik:Substanziell musiziert

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Khatia Buniatishvili und die Philharmonie aus Prag

Von Andreas Pernpeintner, München

Die Tschechische Philharmonie Prag ist fast ein reines Männerteam. Hinten bei den Kontrabässen spielt gut sichtbar eine Frau mit. Aber die weiteren Musikerinnen muss man zwischen all den Frackträgern geradezu suchen. Das ist nicht leicht, denn bei Dvořáks "Othello"-Konzertouvertüre sitzt ein überaus mächtiger Klangapparat auf dem Podium der Philharmonie im Gasteig.

Als dann die Pianistin eintrifft, hebt das die Frauenquote enorm. Auch sonst ist ihr Erscheinen sehr erfreulich. Erstens, weil es Khatia Buniatishvili ist, zweitens, weil sie Schumanns Klavierkonzert op. 54 spielt, und das ist ein wunderbares Werk. Dass es durchaus Gelegenheit bietet, mit prasselnder Virtuosität aufzutrumpfen, zeigt sich ganz zu Beginn des Kopfsatzes und dann vor allem im letzten Satz, den Buniatishvili grandios meistert: mächtig im Ton, aber nie schwülstig, pointiert und präzise. Doch damit ist dieses Schumann-Konzert noch nicht einmal zur Hälfte erklärt. Hier wird richtig substanziell musiziert. Von der Solistin, vom Orchester und auch von beiden in gemeinsamer Interaktion. Wie feinfühlig, gläsern und unaufgeregt simpel Buniatishvili leise Passagen aus dem Flügel hervorzaubert, ist hinreißend. Und hat das Soloinstrument zwischendurch dezent grundierende Funktion (das ist in diesem Werk gar nicht so selten der Fall), lässt sie den Klavierklang herrlich subtil mit dem Orchester verschmelzen, den Blick aufmerksam den Musikern und dem Dirigenten Jiří Bělohlávek zugewandt. Besser kann man das Zusammenspielen nicht abstimmen. Es derart exakt zu tun, ist nicht selbstverständlich.

Auch nach der Pause gibt es in der Philharmonie Schönes zu hören: Antonin Dvořáks Symphonie Nr. 7. Dass Bělohlávek ein Spezialist für tschechische Komponisten ist, ist unverkennbar - was auch für das Orchester gilt. Diese Symphonie ist Musik mit großer Geste. Mit welch solider Expressivität und schlüssiger Erzählhaltung sie hier interpretiert wird, ist beeindruckend.

© SZ vom 30.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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