Kurzkritik:Stimmig innig

Lesezeit: 1 min

Das BR-Symphonieorchester mit Leonidas Kavakos

Von Andreas Pernpeintner, München

Dass ein Werk eines Komponisten der Zwölftonmusik zum Teil des Standardrepertoires wird, ist keine Selbstverständlichkeit. Zu sehr gerät bis heute der verbreitete musikgeschmackliche Konsens mit dem Ende der Romantik an seine Grenzen. Umso bemerkenswerter ist die Popularität von Alban Bergs Violinkonzert "Dem Andenken eines Engels". Beim Konzert mit dem BR-Symphonieorchester und seinem aktuellen Artist in Residence, dem Geiger Leonidas Kavakos, in der Philharmonie zeigt sich rasch, warum das so ist. Dieses Werk ist in zwei Welten zuhause, es ist angewandtes Kompositionsprinzip (Zitate aus älterer Musik inklusive), es ist zugleich zutiefst musikgewordene Emotion (verarbeitet ist hier der Tod von Manon Gropius, Tochter von Alma Mahler). Schon der puristische Anfang mit seinen kühlen Quinten ist mehreres zugleich: herb - und von innig nachzuempfindender Intimität und klanglicher Schönheit. Wie Kavakos hier und im Folgenden alle Ruhe walten lässt, die es braucht, um dieses kompositorisch so sorgfältig austarierte und bei allen Kontrasten homogen voranfließende Konzert zu interpretieren, ist wunderbar. Das Orchester schließt sich dieser Haltung unter der Leitung von Daniel Harding an, spielt analytisch besonnen, lässt aber auch die immer wieder aufleuchtende Anmut der Musik und an richtiger Stelle auch ihre Motorik wirken.

Noch größer aber ist das fundamentale Hör- und Körpererlebnis, das einem nach der Pause Gustav Mahlers fünfte Symphonie bereitet. Und genau dafür ist dieses Werk auch geschaffen. Alles ist hier größer, heftiger, lauter, heller, dunkler, kantiger, inniger, länger, existenzieller - was aber auch feingliedrige Momente wie die kammermusikalische Pizzicato-Passage aus dem Scherzo einschließt. Mahler verzichtet in seiner Fünften ganz auf Singstimmen. Über große Strecken ist diese Symphonie von den Bläsern dominiert, und die BR-Bläser spielen ihre Stimmen einfach vorzüglich. Daniel Harding wiederum hat diese monströse Symphonie großartig im Griff, steigert seine Gestik gegenüber dem Berg-Konzert erheblich, fordert, aber überstrapaziert die Ausdrucksstärke nicht. Großer Beifall nach glücklich erklommenem Schlussanstieg.

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: