Kurzkritik:Souverän

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Kuschelrocker Rick Astley beim Auftakt seiner Europa-Tour

Von Michael Zirnstein, München

Wer so lausbübisch mit dem Publikum schäkert, braucht sich nicht zu wundern, wenn er mit 52 Jahren noch von einem mütterlichen Fan bevormundet wird: "Jetzt lächle doch mal!", kommandiert die Frau. Rick Astley vergewissert sich in der ersten Reihe, ob er richtig gehört habe? "Ich soll lächeln?" Hier könnte die Stimmung kippen, weil sich Astley nun wirklich den ganzen Abend äußerst gut gelaunt gegeben hat, und weil ihm von 1987 an, als Teenie-Star, genug Leute sagten, was er zu tun habe. Wie also reagiert der Sänger? Er lächelt. Verzieht die Mine zur Marionettenfratze, als wolle er fragen: Ist es das, was ihr wollt?

Gottlob verliert er im Backstage nicht den Spaß am ersten Europa-Konzert der "Beautiful Life"-Tour. Der Tollen-Träger im 007-Anzug bleibt souverän, so wie er sich einst selbstbestimmt freimachte vom Image des milchgesichtigen Hit-Interpreten. Freilich singt er noch - "Ich bin Eighties-Star und habe trotzdem einen Haufen Geld übrig!" - die geforderten Gassenhauer, von "Forever together" über "Whenever you need somebody" bis zum Endlos-Finale mit dem zum Internet-Witz-Phänomen avancierten "Never Gonna Give You Up". Mit einem verzückten "Oooh" begrüßen die Fans etwa "Hold me in your arms", wie ein Kätzchen, das sie vor Jahren mal gestreichelt haben; aber das süße Ding ist jetzt ein dicker Kater mit Garfield-Charakter, wenngleich immer noch verschmust, wenn er mag. Das ist Kuschelrock erster Güte, mit einer simplen, flauschigen Zeile, in der das Publikum minutenlang versinken kann - und sich betreut von den tiptop Background-Sängerinnen sogar eine Männer-Frauen-Gesangsschlacht liefert.

Ab einem gewissen Alter müsse man aber mehr tun, was einem selbst gut tut, sagt der Mann aus dem englischen Newton-le-Willows; und so singt er Stücke von seinen neuen beiden Alben, die ihm noch einmal eine Nummer 1 beschert haben. Sehr maskulin, soulig erinnert Astley etwa bei "Pray With Me" oder "Angels On My Side" an den Disco-Funk-Prediger James Brown, bevor er, "der alte Mann", wie er kokettiert, zum nächsten Konzert gekarrt werde, in einem Tank mit Spezialflüssigkeit gelagert. "Man nennt das Alkohol", ruft einer. Und Astley lacht: "Da hast du Recht, Baby!"

© SZ vom 15.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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