Kurzkritik:Soundverdichter

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Der Gitarrist Bill Frisell beim Jazzsommer im Bayerischen Hof

Von Ralf Dombrowski, München

Gitarristen zeigen gerne, was sie können. Bill Frisell eher nicht, und das hat Methode. Denn spätestens, seit er sich in den Neunzigerjahren den Klangwelten von Folk, Country und Bluegrass zugewandt hat, konzentriert er sich mehr auf die Gestaltung von Stimmungen, als auf die Leistungsschau des solistisch Machbaren. Da ist es nur konsequent, dass er auch das Repertoire verändert und sich für ein Programm wie "When You Wish Upon A Star" Soundtracks und Filmmelodien widmet, die ihrerseits als Funktionsmusik in einem umfassenderen, über die eigentliche akustische Gestalt hinausreichenden Zusammenhang stehen.

Es sind Lieder von Bernard Herrmann und Nino Rota, Ennio Morricone und Elmer Bernstein, Stücke, die man in Film-klassikern des vergangenen Jahrhunderts hören konnte, und die Frisell im Rahmen des Jazzsommers auf der Bühne des Night Clubs im Bayerischen Hof mit einem entrückten Lächeln, schwelgend und klanggenießend anstimmt. Sein Alter Ego ist dabei weniger die Sängerin Petra Haden, die als Astrud Gilberto des Folk die Lieder klar, gelassen und in der Interpretation wenig überraschend präsentiert, sondern der Bassist Thomas Morgan, seinerseits ein Magus der Introspektion, dessen Fähigkeit zur Ausleuchtung von Musik aus der Innenperspektive der Gestaltung derzeit international wenig Konkurrenz hat.

Es sind diese offenbar über für die meisten Menschen im Raum nicht wahrnehmbaren künstlerischen Empathiekanäle laufenden Verbindungen von Klang- und Formideen, von Stimmungen, Schwebungen, Schwingungen, die dem Konzert zu Momenten verhelfen, die weit über ein übliches Arrangementdenken hinaus Intensität und wolkig-folkige Präsenz entstehen lassen. Der Schlagzeuger Rudy Royston ist dabei der Adjutant der beiden Soundverdichter, er gibt ihnen behutsam, stellenweise auch mit Nachdruck Struktur und wird damit zum musikalischen Vermittler, der die beiden Visionäre daran hindert, sich in der Welt der Texturen zu verlieren - was aber vielleicht sogar noch spannender gewesen wäre.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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