Kurzkritik:Sonne in der Stimme

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Beeindruckende Persönlichkeit: Die New Yorkerin Indra Rios-Moore. (Foto: Karolina Zapolska)

Die New Yorker Sängerin Indra Rios-Moore ist eine würdige Aspirantin für den BMW Welt Jazz Award

Von Dirk Wagner, München

Die Frühjahrssonne scheint besonders freundlich durch die Glaskuppel in den Doppelkegel der BMW Welt, wo seit Januar an sechs Sonntagen schon um 11 Uhr morgens Jazzkonzerte goutiert werden. Sechs mittels eines Blindfold-Tests ausgesuchte Formationen spielen dort, die zuständigen Juroren bekamen also nur die Musikbeispiele ohne Namen der Musiker und sonstige Informationen zu hören. Zwei von ihnen werden nun für das Finale bestimmt, bei dem schließlich der Jahressieger ermittelt wird.

Um den Wettbewerb etwas abwechslungsreicher zu gestalten, wird die Musik dabei jedes Jahr nach einem neuen Motto sortiert. Da traten schon mal von Schlagzeugern geführte Bands an, oder der Humor in der Musik wurde getestet. Dieses Jahr zeigen sich die Künstler "Inspired by Legends". Und plötzlich klingt die Jazzmusik auch mal nach Beethoven, nach Björk oder nach Jimi Hendrix, wenn die auftretenden Künstler sich von den entsprechenden Musiklegenden inspiriert sahen.

An diesem letzten Jazzmorgen aber, an welchem die Sonne nun nicht nur durch das Glasdach zu strahlen scheint, sondern direkt aus dem freundlich lächelnden Gesicht der Sängerin Indra Rios-Moore, die vor wenigen Stunden noch mit ihrer Band in Paris auf der Bühne stand, dienen so viele Legenden als Inspiration - von Joni Mitchell über Doc Watson bis hin zu Marta Valdés -, dass es unmöglich ist, nur eine einzelne Legende in ihrer Musik festzumachen. Es sei denn, man ließe auch die legendäre Interkulturalität als Vorbild gelten. Denn diese wird von Indra Rios-Moore regelrecht verkörpert. Sei es in der eigenen Biografie der in Manhattan aufgewachsenen Tochter einer puertoricanischen Sozialarbeiterin und eines afro-amerikanischen Musikers, die nun mit ihrem dänischen Ehemann - zugleich der Saxofonist ihrer Band - in Dänemark lebt. Oder sei es in ihrer Musik, die Jazz-Standards ebenso verinnerlicht wie Popmusik von Pink Floyd, Blues oder Weltmusik.

Solche musikalischen Vorgaben werden von ihr und ihrem Ensemble, aufs Wesentliche reduziert, an kleinen Figuren festgemacht. Da skizziert zum Beispiel der Kontrabassist Thomas Sejthen Neil Youngs "The Needle And The Damage Done" mit wenigen zerbrechlichen Bass- und Flageoletttönen, in die hinein Rios-Moore sodann ebenso einfühlsam über das tragische Schicksal all jener Junkies singt, die in den Augen Youngs eine untergehende Sonne sind. Saxofon und Gitarre brechen plötzlich aus jenem Song aus, gleich einem Drogenexzess, der die Außenwelt in der Wahrnehmung des Konsumenten verschwinden lässt, bis dieser schließlich selbst mit dieser Wahrnehmung verschwindet. Zurück bleibt die trauernde Sängerin.

Wenn sie das Konzert mit Louis Armstrongs "What A Wonderful World" beendet, sie, die erst jüngst ihre Mutter verlor, aber auch selbst Mutter wurde, entlässt Rios-Moore mit einem Fingerzeig auf die Schönheiten des Lebens ein von ihrer Musik bewegtes Publikum in einen Frühlingstag, der nach solch einem Konzert auch dann zum Spaziergang animiert hätte, wenn es gestürmt, gehagelt und geregnet hätte. Ob man Indra Rios-Moore beim großen Finale am 7. Mai noch einmal erleben kann, wird erst im Laufe der Woche, spätestens aber Anfang nächster Woche bekannt gegeben. Informationen zum BMW Jazz Award finden sich auch auf www.bmw-welt.com.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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