Kurzkritik:Sensationell reif

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Die "Neue Philharmonie München" im Herkulessaal

Von Klaus Kalchschmid, München

Zwar haben die jungen Musikerinnen und Musiker der "Neuen Philharmonie München" reichlich Erfahrung mit Musik von Gustav Mahler, denn Yoel Gamzou, der sie bis 2012 drei Jahre lang leitete, führte mit ihnen am Ende seiner Amtszeit die Erste auf; später folgten die Vierte und sogar die anspruchsvolle Neunte. Aber was sich jetzt im Herkulessaal beim Benefizkonzert für die Interkulturelle Stiftung "Colibri" ereignete, war schlicht eine Sensation: Natürlich ist der kaum 30-jährige Dirigent, berühmt geworden mit seiner exzellenten, ungemein fantasievoll farbigen "Realisation und Weiterentwicklung der unvollendeten Skizzen der 10. Symphonie", ein glühender Mahler-Experte und -Exeget; natürlich erkennt man das an seiner Zeichengebung und Körpersprache sowie daran, wie er Tempi modifiziert und die einzelnen Orchestergruppen führt und dabei animiert oder fein dämpft.

Aber es war doch kaum zu erwarten, dass junge Menschen schon so reif musizieren, die unterschiedlichen klanglichen Schichtungen und wechselnden Tonfälle, die kammermusikalischen Einschlüsse wie die gewaltig aufgetürmten Steigerungen so schlackenlos meistern können. Während die Streicher-Gruppen warm und homogen gestalteten und das Holz oft zart vermittelte, brillierte das Blech - allen voran ein großartiger Solo-Hornist - mit subtilen Schattierungen, aber auch massiver, doch nie lärmender Wucht.

Zuvor war die "Neue Philharmonie München" dem rhapsodisch frei aufspielenden Geiger Gilles Apap ein hellwacher Partner, nicht zuletzt, als sich das frech ins Finale einbrechende "Alla Turca" zum übermütig zwischen Boogie Woogie, Folk und anderen Stilen wechselnden Variationensatz weitete. Das geschah sehr zum Vergnügen eines Publikums, das zur Hälfte aus Schülern, Studenten und Auszubildenden, darunter viele Flüchtlinge, bestand. Es war eine Mischung aus Alt und Jung, die den Saal zum Kochen brachte und sicher Etlichen den Zugang zu komplexer klassischer Musik geebnet hat.

© SZ vom 12.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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