Kurzkritik:Seltsame Leute

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"Glauben" aus Schwaben zu Gast im Theater HochX

Von Sabine Leucht, München

Die Dame mit dem strengen Mittelscheitel sieht nach Kirchentag aus und der gegelte Herr kann sich direkt als Guru bewerben. Beide geleiten einen mit einem so einnehmend wirken wollenden Lächeln zu den rund um die ebene Bühne stehenden Bänken, dass den Skeptiker sofort der Fluchtreflex packt. Und dann beginnt "Glauben" auch noch mit Sätzen, in denen der Zweifel als Ursache jeder Aktion verortet wird und der Glaube als das, wo es jeden hinzieht: "Ins Gleichgewicht!" Sie stammen aus Lot Vekemans "Judas" und also von einem, der handelnd schuldig wurde. Und sie bleiben das einzige Literatur-Zitat an einem Abend, den das freie Münchner Kollektiv "Satellit Produktion" am Landestheater Schwaben entwickelt hat.

Dort, in Memmingen, hat sich Regisseurin Ana Zirner mit ihrem Team auf die Suche gemacht nach Leuten, die Auskunft geben wollten über ihre Überzeugungen und persönlichen Erweckungsgeschichten. Die Aussagen von 16 Christen, Muslimen, Juden, Zeugen Jehovas und Schamanen sind in die Collage eingeflossen, die bei ihrem Hoch X-Gastspiel aufgrund fehlender Rollenzuschreibung eine Art Ratespiel provozierte, aber kaum Aha-Erlebnisse.

Rund um eine aufgeklappte gläserne Pyramide monologisieren Miriam Haltmeier, Rudy Orlovius und Fridtjof Stolzenwald zu Themenblöcken oder werfen sich einzelne Sätze in einer Art Streitgespräch zu, bei dem Frage und Antwort nicht zueinander passen. Während man innerhalb der Blöcke gedanklich ins Stolpern kommt - Rassismus im Judentum, die Verehrung der Frau im Islam - schlagen jenseits davon Masse und Speed den Inhalt tot. David Russos "somatische Choreografie" weicht der Nachahmung - etwa von Gebetsbewegungen - großräumig aus, um dafür dann arg beliebig zu werden. Mal legt man sich selbst beim Sprechen die Hand auf die Hüfte, mal rollt man einander spiegelnd über den Boden. Für's Gemeinschaftsgefühl wird getönt und gestöhnt. Und obwohl das Ganze eher unhierarchische Glaubensbetrachtung als Satire sein will, schieben sich Slapstick oder Pathos kommentierend vor allzu menschenfeindliche oder esoterische Aussagen. So bleiben sie vor allem seltsam, diese Gläubigen.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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