Kurzkritik:Selbstironie

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"Cap Escape Plaisance Club" - ein Gastspiel im Pathos

Von PETRA HALLMAYER, München

Es ist der ewige Seufzer von alternden freien Kreativen: Hätte ich doch etwas Vernünftiges gelernt. Die beiden nicht mehr jungen und hippen Performancekünstler im Schwere Reiter haben beschlossen, das nachzuholen. Für ihre neue Show studieren sie Standardtänze ein. Sie wollen endlich einmal "etwas richtig gut können", etwas mit Regeln, bei dem man sich nicht ständig neu erfinden muss, und "etwas schaffen, das einfach gute Laune macht". Doch so einfach funktioniert das nicht.

Statt strahlend dahinzugleiten, staksen Anna-Lisa Ellend und Albert Liebl im Fransenkleid und weinroten Anzug unbeholfen über den Tanzboden. Und während sie von Fabian M. Müller musikalisch begleitet Cha-Cha-Cha, Rumba und Walzer üben, können sie nicht aufhören zu reden, über Kunst, Politik, Sex, ihre Beziehung ("Früher hättest du das toll gefunden. Das hättest du geliebt, dieses Geschwafel!") und ihre Angst, die Ansprüche ihrer Geldgeber und ihre eigenen nicht zu erfüllen. Sie stolpern durch den Irrgarten der Widersprüche, aus dem es keinen Ausweg gibt. Angereichert sind ihre Dialoge mit Songs und Chansons. "We are fucking paraphrasers", sprechsingt Ellend zornig frustriert, derweil Liebl seine alten Begleiter beschwört "Ambivalenz, Dilemma, seid ihr da?"

In ihrem von Komik und Melancholie durchwobenen Gastspiel bei Pathos München "Cap Escape Plaisance Club" überrascht die Gruppe Schauplatz International, die bekannt ist für ihre komplexen, diskursschweren Inszenierungen, mit offenherziger Direktheit und selbstironischer Leichtigkeit. Um ihrem Projekt kulturbetriebskonforme Relevanz zu verleihen, erfinden die beiden schließlich eine hanebüchene Story, in der sie als iranisches Dissidentenpaar auftreten, wofür sie sich einen Bart anklebt und er sich mit Niqab und Abaya verhüllt. Als fabelhafte Schlusspointe verpassen sie dabei die Premiere ihrer Show, die in und dank ihrer Abwesenheit ein großer Erfolg wird. Woraufhin sie (vorübergehend) befreit vom Kreativitätszwang völlig losgelöst miteinander davon tanzen können.

© SZ vom 24.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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