Kurzkritik:Schillers Faust

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Die Hip-Hop-Band "OK Kid" in der Muffathalle

Von Dirk Wagner, München

"Es ist nicht jeder ein Nazi, der Angst hat", sagt Jonas Schubert, der Sänger von OK Kid, in der restlos ausverkauften Muffathalle. Dann ergänzt er den Satz: "Aber jeder, der mit dieser Angst Wählerstimmen fängt, gehört zu den größten Hundesöhnen dieser bunten Republik." Wenn im folgenden Song "Gute Menschen" auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zitiert wird, der Roberto Blanco einen "wunderbaren Neger" nannte, unterstreicht das einen Rassismus, der nicht nur in den dafür bekannten rechtsradikalen Gruppierungen zu finden ist. Mit Sätzen wie "Ein guter Mensch verdrängt, was er nicht weiß" beschreibt der Song eine sogenannte Mitte der Gesellschaft, die nur zu oft homophob und fremdenfeindlich erscheint: "Stammtischmodus, jetzt wird laut diskutiert. Schwarz, rot, grün, alles wirkt braun meliert."

Die Texte von OK Kid, die auch mal beschämt bekennen, dass sie "Schillers Faust" nie gelesen hätten, sind so pointiert, dass man in ihrer Rezeption fast vergisst, dass sie nur ein Bestandteil einer noch großartigeren Musik sind. Dabei sind alleine schon die rhythmischen Ausschmückungen, mit denen der Schlagzeuger Raffael Kühle immer wieder den Takt zu verschieben scheint, nicht minder pointiert.

Ob dieser musikalischen Perfektion riskieren OK Kid freilich wenig, wenn sie im Vorprogramm Musiker auftreten lassen, die alleine schon die ausverkaufte Muffathalle verdient hätten, nämlich den Züricher Singer-Songwriter Faber, der Sohn des italienischen Liedermachers Pippo Pollina, und seinen gleichzeitig Posaune spielenden Schlagzeuger Tillmann Ostendarp. Natürlich ist das synchrone Spielen auf zwei Instrumenten ein clownesker Blickfang. Trotzdem obsiegen auch hier die Songs selbst, die den Humor eines Liedermachers wie "Blockflöte des Todes" mit den Grooves eines Songschreibers wie Manu Chao vereint. Der Sprachlogik trotzend eilt damit dem späteren Höhepunkt des Abends ein weiterer Höhepunkt des Abends voraus.

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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