Kurzkritik:Schatz im See

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BR-Symphoniker mit Mahlers Zehnter

Von Egbert Tholl, München

Mahler hat es zur Zeit gut in München. Gerade eben gab es die erste Symphonie als Suspense-Krimi von den Philharmonikern und Valery Gergiev, jetzt folgte die Zehnte beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Yannick Nézet-Séguin. Auf einmal klingt sogar der Herkulessaal richtig gut, zumindest dann, wenn man sich vor den Klangmassen ein bisschen in Sicherheit bringt.

Im ersten Satz braucht man dies zunächst noch nicht, ein glitzernder Streichersee füllt den Raum aus, er leuchtet hell und intensiv. Nézet-Séguin fordert Hingabe, und er kriegt, was er haben will. Der Dirigent ist unbelastet von Sentimentalitäten und entwickelt so eine objektive Freude am Klang an sich, beeindruckend, ja staunen machend transparent. Jener erste Satz, das Adagio, ist ja das Einzige, was Mahler aufführfertig von seiner letzten Symphonie hinterließ. Die vollendete dann Deryck Cooke aus dem vorhandenen Material. Insofern geht es nach dem Adagio schrittweise in Mahlers Werkstatt oder auch in den Bereich der Spekulation. Etwa der, wie wohl Mahler selbst die irren Einfälle gerade im vierte und fünften Satz instrumentiert hätte. Das Spiel mit den Orchesterfarben ist im Adagio jedenfalls grandios, am stärksten vielleicht der Effekt, wenn die Musik ganz fahl wird und ein orgelnder Höllenchoral hereinbricht. Vielleicht hörte Mahler da beim Komponieren seine untreue Gattin Alma, die ihn zum Essen rief.

Davor Bergs Violinkonzert, ohne Mahlers Innovationen nicht denkbar, nun gespielt von Veronika Eberle mit einem schönen, mürben Ton, der mit seiner grundsätzlichen Skepsis gut zum Werk passt. Die Ländler haben mehr Poesie als Stallgeruch, stehen im Kontrast zu schroffen Ausbrüchen, alles läuft prima, aber am Ende hätte man schon ein bisschen mehr weinen wollen dürfen.

© SZ vom 18.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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