Am 6. Dezember wird die New Yorker Underground-Ikone Lydia Lunch mit ihrer Rockband Retrovirus im Unter Deck auftreten. Auf dem Dichterinnen-Festival Schamrock in der Pasinger Fabrik rockt sie die Bühne ohne Musik. "Die Musik ist ein Maschinengewehr, und meine Worte sind die Munition", hatte sie zuvor in einem Interview erklärt. Zum Abschluss des ersten Festivaltages feuert sie reichlich Munition ab. Laut, mit rhythmischen Konsonanten. Und mit zwei Mikrofonen, von denen eines ihre Stimme hallen lässt, als stünde sie in einer Kathedrale.
"Versucht es gar nicht erst", unterbricht Lunch den Applaus zwischen den Texten. Damit nimmt sie den Zuhörern die Möglichkeit, die Anspannung wegzuklatschen. Mal säuselt sie geradezu singend: "Er sagt, ich sei der Sauerstoff, den er einatmet". Dann kontert sie ins andere Mikro mit dem Zweikampf zweier von inneren Killern besessenen Personen: "Ich sagte ihm, dass ich ihn liebe. Aber er war nicht geschützt." Sie beschreibt den Körper als Schlachtfeld für Zweikämpfe, die am Ende auf den einen großen Zweikampf hinauslaufen, den jeder verlieren muss: den Kampf mit dem Tod. "Was sagst du einem, der nur noch 30 Tage zu leben hat?", fragt sie. "Nur noch 30 Stunden, Minuten, Sekunden". So also klingt ein Rockkonzert ohne Gitarren und Schlagzeug.
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Wie übersetzt man das Wort "Schultüte" ins Indische? In eine Sprache, die nicht nur das Wort, sondern auch den Brauch dahinter nicht kennt? Die Lyrikerin Ulrike Draesner hat es ihrer indischen Kollegin Aruna Dhere mit solchen Sujets sicher nicht leicht gemacht - letztlich ging es beim Projekt "Versschmuggel mit Südasien" des Goethe-Instituts, bei dem Lyriker verschiedener Sprachen und Kulturen einander übersetzten, jedoch genau um solche Momente der Verunsicherung, um den Austausch. Am Samstagabend des Schamrock-Festivals sind drei der Paare zu erleben, und die Unterschiede werden dabei sehr deutlich: Wenn zum Beispiel die deutsche Sprachspielerin Ulrike Almut Sandig in einem Gedicht fragt "Wissen wir überhaupt, wie sich Dunkelheit schreibt?", und in der indirekten Gedicht-Antwort von Naseem Shafaie aus Kaschmir von "ein paar kleinen Vergewaltigungen" die Rede ist. Oder wenn die expressiv lautmalende Anja Utler auf Basudev Sunani trifft: Was der einzige männliche Dichter bei Schamrock (als Ersatz eingesprungen) in scheinbar gleichmütigem Singsang vorträgt, entpuppt sich in der deutschen Übersetzung als bittere Anklage eines Erniedrigten.
Es ist also trügerisch, wenn die Festival-Chefin Augusta Laar in einer Pause sagt, bei den vielen herumschwirrenden Sprachen habe sie inzwischen das Gefühl, sich mit allen verständigen zu können. Was eine Bulgarin jedoch so gut versteht wie eine Chinesin, ist der pure Klang: Wenn die Performerin Limpe Fuchs zum Abschluss mit Parketthölzern klackert, klappert, knarzt, wenn sie trillert, jault und juchzt, dann erinnert diese Klangwerkerin an die Ursprünge: Poesie ist, vor allem anderen, eben Schall und Hauch.