Kurzkritik:Samt und sonders

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Daniel Erdmanns Trio "Velvet Revolution"

Von Oliver Hochkeppel, München

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Daniel Erdmann für sein Trio-Projekt Velvet Revolution kommende Woche den Echo Jazz in der Sparte "Holzbläser National" entgegennehmen darf. Lebt der einstige Berliner doch schon seit längerem in Paris und Reims; sein Bratscher Theo Ceccaldi ist sowieso waschechter Franzose, und sein britischer Vibrafonist Jim Hart wohnt im Elsass. Das Konzert in der Unterfahrt begann Erdmann mit dem Stück "Les Agnettes", benannt nach einer Pariser U-Bahn-Station: Er habe etwas betont französisch Klingendes komponieren wollen, erzählte er; alle Franzosen sagten ihm jetzt aber, es klinge so "berlinerisch".

Aus neutraler Münchner Sicht war es wie der ganze wundervolle Abend weit entfernt von jeder Herkunfts- oder Bestimmungsdiskussion. Spannende Dialoge und erhebende Gedanken erklangen in der universellsten, für jeden verständlichen Sprache, der Musik. Wobei Erdmann einen wirklich neuen Beitrag leistet: Die Besetzung Tenorsaxofon, Vibrafon und Bratsche oder Violine hat es im Jazz noch nie gegeben. Man fragt sich schnell, warum, so bezwingend warm, harmonisch und in der Tat samten klingt diese "Velvet Revolution".

Kommt dazu, dass Erdmann perfekte Stücke dafür geschrieben hat. Der Name des Albums beziehungsweise seines Titelstücks "A Short Moment Of Zero G" trifft die Sache exakt: Schwerelos kommt das alles daher, immer um eine zentrale Melodie tänzelnd, sie mal solistisch, mal unisono, mal gegenläufig umkreisend, erweiternd, abtastend. Erdmann hält sich in Sachen Virtuosität zurück, legt eher das Fundament, auf dem der furiose Ceccaldi, der aussieht, wie ein Teufelsgeiger aussehen muss, und der schwärmerische Hart, der sein Vibrafon gerne auch von der Seite mit Kleiderbügel-Bögen zum Schwingen bringt, glänzen können. Hinreißend, zu Recht preisgekrönt und überraschenderweise enttäuschend schwach besucht.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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