Kurzkritik:Rockistisch

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Michael Kiwanuka im Technikum

Von Martin Pfnür, München

Das zweite Album ist im Pop ja oft ein schwieriges. Schnell sollen da möglichst noch auf der Tour neue Songs entstehen, auf dass der Markt den Künstler bloß nicht vergisst. Den Londoner Songwriter Michael Kiwanuka scheinen derlei Mechanismen indes wenig zu interessieren. Seinem gefeierten Debüt "Home Again" von 2012, auf dem er sich zwischen schwermütigem Motown-Soul und Folk präsentierte, ließ er eine lange Pause folgen, bis er schließlich auf Danger Mouse traf, der als Produzent zuletzt auch den Red Hot Chili Peppers neues Leben einhauchte. So geriet der Nachfolger "Love & Hate" nun zu einem Album, das zwar immer noch die Vergangenheit beschwört, dabei jedoch in seinen Arrangements ungleich ambitionierter ausfällt, sich in seiner Opulenz mehr an Isaac Hayes als an Otis Redding orientiert.

Es gibt natürlich leichtere Übungen, als so etwas auf die Bühne zu bringen. Kiwanuka versuchte es im ausverkauften Technikum mit einem Quintett an Drums, Percussion, Bass, Keyboard und Gitarre im Rücken - und einem Sound, der kuschelbereite Pärchen erst mal verstört haben dürfte. Wichen hier doch Streicher und Chöre einem Klangbild, das für Kiwanukas Verhältnisse nachgerade rockistisch daherkam, was vor allem auch mit Gitarrist Michael Jablonka zu tun hatte, der die Texturen der neuen Songs mit derart ausufernden Soli, mit derart viel Fuzz aufschmirgelte, dass vom ursprünglichen Soul-Gehalt oft wenig übrig blieb. So mutierte der Afro-Beat-Stomper "Black Man in a White World" zum überdrehten Tanzstück, während Kiwanuka Stücke wie "I'm Getting Ready" oder "Home Again" etwas unglücklich in einer Art Balladen-Block verramschte.

Erlösung fand sich erst in Form von "Rule the World", einem Song, für den Kiwanuka die All-Girl-Vorband Joseph als Backing-Sängerinnen auf die Bühne bat. Die verpassten zwar sogleich ihren Einsatz, fügten dem Stück dann jedoch genau jene Tiefe und Ausdifferenziertheit zu, die dieser Konzertabend nicht selten vermissen ließ.

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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