Kurzkritik:Rock im Überschwang

Lesezeit: 1 min

"The War On Drugs" in der ausverkauften Muffathalle

Von Jürgen Moises, München

Wir haben noch drei Minuten, sagt Adam Granduciel am Ende des zweistündigen Sets. Und ergänzt, dass sie leider kein passendes Stück für diese drei Minuten haben. In der Tat gehen der aus Philadelphia stammende Musiker und Sänger und seine Band The War On Drugs relativ verschwenderisch mit ihrer Zeit um, denn Stücke wie "Under The Pressure" können schon mal an die zehn Minuten dauern. Mit "You Don't Have To Go" findet sich dann aber doch noch eine relativ kurze Ballade als zweite Zugabe, mit der die sechsköpfige Band das euphorisierte Publikum in der Muffathalle verabschiedet.

Fast noch verschwenderischer ist bei den Amerikanern der Einsatz von schwelgerischen, opulenten Melodien. Diese werden von der sechsköpfigen Band mit zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug, Keyboard und Piano sowie in kleinen Passagen auch mit Trompete, Baritonsaxofon und Mundharmonika kreiert. In seiner Gesamtheit könnte man das Americana-Dreampop nennen, weil es teilweise so klingt, als würde man Tom Petty mit Phoenix kreuzen oder Bob Dylan mit motorischen Krautrockrhythmen auf den Dancefloor bugsieren. Manches vom aktuellen Album "A Deeper Understanding" wirkt aber auch so, als hätte man den Stadion- oder Classic-Rock der Achtzigerjahre ohne größere Umschweife ins 21. Jahrhundert gebeamt. Und der Sänger, Gitarrist und Songschreiber Adam Granduciel sieht mit langen Haaren und Holzfällerhemd auch eher wie ein rockmusikalischer Anachronismus aus.

Dass das nach einem Insiderstatus nun auch bei der Masse so gut funktioniert, das ist schon leicht erstaunlich. Die Muffathalle war schon vor Wochen ausverkauft, und man hat auch live das Gefühl, dass die Zuhörer genussvoll in den Überschwang aus Melodien eintauchen. Vielleicht weil das in politisch unruhigen Zeiten auch etwas Eskapistisches an sich hat. Vielleicht aber auch, weil Adam Granduciel wie seine großen Americana-Vorbilder ganz einfach ziemlich gute und kunstvoll ausgearbeitete Songs schreibt.

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: