Kurzkritik:Referenz

Ein Konzert als Zwischenbericht von Gerhahers Schumann-Edition

Von Egbert Tholl, München

Seit 2014 läuft das Vorhaben, zwei Jahre wird es noch dauern. Dann werden Christian Gerhaher und Gerold Huber alle Klavierlieder von Robert Schumann im Bayerischen Rundfunk aufgenommen und beim Label Sony veröffentlicht haben. Als eine Art Zwischenbericht vom Riesenvorhaben in Fischer-Dieskauschen Dimensionen fand nun ein Gesprächskonzert im BR-Funkhaus statt, das allein schon deshalb bemerkenswert war, weil Gerhaher nun einmal ein Sänger ist, der sich sehr viele Gedanken zu dem macht, was er singt. Und dabei die Selbstironie keineswegs verloren hat; vielleicht, so Gerhaher, mag das, was er zu den Liedern erzählen kann, an Überinterpretation grenzen.

Mag sein, aber es ist ungeheuer schlüssig und erhellend, vor allem fundamentieren er und Huber in einer Auswahl von 16 Liedern in drei Zyklen, wie faszinierend man Erkenntnis in Kunst umwandeln kann. Schumann vertonte immer wieder sehr seltsame Gedichte, deren Sinn sich kaum unmittelbar erschließt. Gerhaher und Huber machen daraus faszinierend lichte, mitreißende, mal auch glühende, streng zyklisch begriffene Miniaturmeisterwerke. Wenn man Christian Gerhaher als Liedinterpret oft vor allem mit Schubert erlebt hat, ist verblüffend, wie völlig anders bei seinem und Hubers Schumann der Grundton ist. Bei aller Genauigkeit bleibt stets eine Leichtigkeit, bei den merkwürdigen Gesängen op. 107, selbst bei Lenaus "Sennin", bei den Romanzen und Balladen op. 49 ohnehin.

Sony-Chef Bogdan Roščić, künftig Intendant der Wiener Staatsoper, erwartet eine nichtkommerzielle Referenzaufnahme, Thorsten Schmidt vom Liedzentrum Heidelberg etwas Ähnliches, Schumann-Experte Peter Gühlke betont Schumanns Modernität: Der beginne mit jedem Lied neu. Wie Gerhaher.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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