Kurzkritik:Quatschige Kunst

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Jacques Palminger überzeugt in der Milla mit Poesie und Jazz

Von Martin Pfnür, München

"Jeder Ton ist Poesie und jedes Wort ist Jazz", verkündet Jacques Palminger am Ende seines umjubelten Auftritts in der Milla. Das mag zwar erst mal recht verquer klingen, lässt sich aber tatsächlich ganz wunderbar auf dieses Konzert münzen, das seinen hintergründigen Witz und seinen smoothen musikalischen Zauber ziemlich exakt zwischen diesen beiden verdrehten Zuschreibungen entfaltet.

Da ist zum einen Palminger selbst, der einst als Teil des Hamburger Telefonstreichtrios Studio Braun auf der Bildfläche erschien und seither - wie seine beiden Studio-Braun-Kollegen Rocko Schamoni und Heinz Strunk - als Musiker, Schauspieler und Literat für einen ebenso subtilen wie hochinformierten Nonsens-Humor steht. Während sich Studio Braun zuletzt mit der Mockumentary "Fraktus - Das letzte Kapitel der Musikgeschichte" in Form einer fiktiven Kult-Band neu erfanden, deren trashigen Elektro-Pop sie später auch live auf die Bühne brachten, kommt Palmingers musikalischer Solo-Ansatz in Folge seines dubbigen Debüts von 2008 allerdings ungleich elaborierter daher.

Es ist feinster, fließender, Easy-Listening-infizierter Sixties-Jazz, mit dem das 440 Hz Trio (das eigentlich ein Quartett ist) Palmingers frei und surreal, also quasi "jazzig" mäandernde Spoken-Word-Lyrics poetisch illustriert. Mal per verwunschenem Vibrafon-Ausklang, mal per dicht gewobenem Groove wird das Publikum hier durch eine Grauzone zwischen großer Kunst und großem Quatsch geschleust, die sich nicht zuletzt durch die kindliche Ernsthaftigkeit auftut, mit der Jacques Palminger seine düster-komischen Geschichten erzählt. Das tragische Schicksal von Haustieren im Zuge einer anstehenden Scheidung ("Spanky"), die Melancholie von Kindern, die den letzten Tag im Vergnügungspark von Michael Jacksons Neverland-Ranch verbringen ("Michael") oder die kommunikativen Abgründe eines Urlaubsflirts in Italien ("Ragazzina") dürfte bisher kaum jemand schöner verdichtet haben als er.

© SZ vom 11.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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