Kurzkritik:Puristisch leicht

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Chopin-Expertin Huangci in der Allerheiligen Hofkirche

Von Andreas Pernpeintner, München

Am Anfang, aber wirklich nur ganz am Anfang, könnte man meinen, der Klavierabend der Pianistin Claire Huangci in der Allerheiligen Hofkirche vor kleiner Zuhörerschaft sei etwas verplant: Das Licht ist schon heruntergedimmt, als erst noch der Flügel geöffnet und der Notenständer entfernt werden muss. Die Pianistin erscheint und lässt bei den ersten Akkorden die Dämpfer deutlich hörbar auf die Saiten schnappen. Kein Wunder, denkt man, ihre Absätze sind ja gewaltig und sie tritt das Pedal wie eine Autokupplung. Doch binnen kürzester Zeit ist jegliche Irritation behoben. Huangci spielt Brahms' Variationen und Fuge über ein Thema von Händel op. 24 akkurat, präzise, virtuos, mitunter gewitzt akzentuiert, im Ton groß, aber nie zu dick aufgetragen. Auch ihre Gestik dazu ist gut abgewogen und passt bestens zur konzentrierten Vortragsweise.

Das Brahms-Ende ist monumental - und umso stärker ist der Kontrast zu den nachfolgenden Auszügen aus Prokofjews zehn Stücken aus der Ballett-Suite "Romeo und Julia" op. 75, die luftig leicht beginnen, von Huangci fast puristisch schlicht gespielt. Das ist wirklich sehr schön - und bleibt auch stimmig interpretiert, wenn Prokofjew schließlich zupackender wird.

Ist diese erste Konzerthälfte schon überzeugend, ist die zweite eine große Freude. Huangci ist, wie auch das Programmheft verrät, eine Chopin-Expertin; ihre Wettbewerbserfolge hängen signifikant damit zusammen. Wie sie nun Chopins Andante Spianato et Grande Polonaise Brillante in Es-Dur op. 22 auffasst, ist ein Genuss: in der Grundhaltung ausgesprochen melodisch, mit schön singendem, hell beleuchtetem Diskant. Natürlich gibt Huangci deshalb das rhythmische Moment der Polonaise nicht preis. Es ist durchaus präsent, aber eben nicht vorherrschend. So klingt das große Werk bei ihr wunderbar leichtfüßig und elegant. Diese Herangehensweise hält Huangci, obwohl sie Chopin zwischendurch auch tiefsinnig verharren lässt, bei den beiden Nocturnes op. 27 Nr. 1 und 2 und bei der tendenziell grüblerischen Polonaise Fantaisie in As-Dur op. 61 aufrecht.

Kaum hat anschließend der Applaus eingesetzt, werden auch schon die Blumen gebracht. Doch nicht so schnell. Zwei Zugaben folgen.

© SZ vom 10.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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