Kurzkritik:Pure Ironie

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Der New Yorker Songschreiber Darwin Deez in der Kranhalle

Von Martin Pfnür, München

Dieser unterschwellig ironische Gestus urbanen Hipstertums ist schon ein lustiges Phänomen. Man kann es sich vielleicht am besten als eine Art Umdeutungs-Filter vorstellen, durch den allerlei Uncooles plötzlich wieder cool oder zumindest weniger uncool wird. Da wären etwa diese grauenhaften Prinzessinnen-Ringellöckchen und dieser fadenscheinige Schnurrbart, mit denen der New Yorker Songschreiber Darwin Merwan Smith alias Darwin Deez auf seinem 2009 erschienenen Debütalbums in Erscheinung trat. Oder diese ulkigen Tanz-Choreografien, die er in der Kranhalle zusammen mit seiner dreiköpfigen Band selben Namens zu diversen Kirmesbeats vom Band aufführte. Oder auch diese technisch großartigen, nach moderneren musikästhetischen Maßstäben aber eben auch recht anachronistischen musikalischen Einlagen, deren Virtuosität Darwin Deez entsprechend nicht ohne ironischen Schlenker wirken lassen wollte.

Er würde jetzt ein Gitarrensolo spielen, kündigte der mittlerweile löckchenlose Frontmann nach den ersten paar Stücken an. Ob selbiges dann auch wirklich etwas mit Musik zu tun habe oder am Ende womöglich doch nicht über den Status beliebiger Handbewegungen hinauskomme, müsse das Publikum aber schon selbst entscheiden. Natürlich war das nichts anderes als bloßes Understatement. Wo Deez zu diesem Zeitpunkt bereits wunderbaren Quasi-Brit-Pop ("You Can't Be My Girl") und angerauten Indie-Rock-Minimalismus ("Getaway") mit Gitarrensoli veredelte, die jeden Classic-Rock-Aficionado zum Jauchzen gebracht hätten, ließ er auf Basis des schwitzigen Eighties-Funks von "Moon Lit" vollends die Funken fliegen: Mit einer Expressivität, die unverhohlen dem meisterhaften Gitarrenspiel von Prince huldigte, entlockte er seiner Fender Stratocaster da synkopierte Klänge, deren umwerfende Sexyness mit beliebigen Handbewegungen eher schwer zu evozieren sein dürfte.

Es folgte ein Konzert, mit dem sich Deez schließlich doch primär auf seine Kernkompetenz besann, die in einem unfehlbarem Gespür für maximal griffige Melodien und augenzwinkernde Herzschmerz-Verarbeitung liegt, und die er vor allem im kleinen Zugabenblock mit umjubelten Debüt-Stücken wie "Constellations" oder "Radar Detector" zur Entfaltung brachte. Ein formvollendet auf dem Rücken gespieltes Blues-Solo à la Jimi Hendrix, wie er es in "Chelsea's Hotel" kredenzte, wollte er sich vorher aber dennoch nicht nehmen lassen. Ironie hin oder her.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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