Kurzkritik:Prosalastig

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Falckenberg-Schüler spielen Joseph Hellers "Catch-22"

Von SABINE LEUCHT, München

Mit dem Krieg und dem Wahnsinn ist es so eine Sache. Das erfährt auch der amerikanische Luftwaffenkapitän Yossarian, der, seit der Körper seines Kumpels zum Trümmerfeld wurde, nur noch ein Ziel hat: Ewig zu leben! Das ist aber nicht leicht, wenn der einzige Weg, dem Kriegseinsatz zu entgehen, das Plädieren auf Unzurechnungsfähigkeit ist, aber eben dieses Plädoyer beweist, dass der Verstand noch funktioniert. Dies ist die Logik-Falle, das fiese Paradoxon der Regel "Catch-22", die Joseph Hellers 1961 erschienenem und von Mike Nichols verfilmtem Roman seinen Namen gab. Dessen don-quijotesker Witz und kafkaeske Ausweglosigkeit, gepaart mit der Kritik an der Idiotie des Krieges, die sich damals gerade in Vietnam wiederholte, machen "Catch-22" bis heute zu einem Verkaufsschlager.

Dass sich jetzt der dritte Jahrgang Regie der Otto-Falckenberg-Schule des Stoffes angenommen hat, könnte daran liegen, dass die Konflikte uns wieder näher auf die Pelle rücken - ganz so, wie die Schauspieler in Swen Lasse Awes Inszenierung einander. Vier von ihnen stehen und hocken zu Beginn in weiß-sandfarbenen Kleidern und individuellen Posen mit Philipp Koelge um dessen Musikpult herum, das sich über einem runden Söckelchen erhebt.

Das Menschenarrangement sitzt hier ebenso gut wie die kleine Bewegung, die die Aufmerksamkeit auf den in Einzelworte zerstückelten Eingangssatz lenkt. Dafür wird es leicht chaotisch, wenn sich die Schauspieler um das Mikro knäulen oder zu Körperskulpturen zusammenraufen. Hier fehlt einigen der Erstsemester noch die darstellerische Präzision. Wobei der episodische, prosalastige Abend auch mit einer hübsch ins Ekstatische hinüberschwappenden Sexfantasie und einem sehr konzentrierten Ende aufwartet. Da schildert Vincent zur Linden als Yossarian eindringlich die Konfrontation mit dem zerrissenen Fleisch des sterbenden Snowden. Und in den Sockelnischen verborgene Windmaschinen blasen einen Fallschirm zum Schlussbild auf.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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