Inzwischen seien sie eine richtige Band, meint Christian Muthspiel, und das spüre man auch. Das heißt nicht, dass man es bislang mit einem Provisorium zu tun gehabt habe. Nur gehört der österreichische Posaunist, Pianist und Konzeptkünstler eben zu den anspruchsvollsten Musikern der europäischen Szene, sowohl was die Erarbeitung und Durchdringung seiner Programme, als auch was die Feinabstimmung der Gestaltung auf der Bühne betrifft. Man merkt es an den Details.
Schon das Effektboard zu seinen Füßen ist eine Herausforderung, ein Dschungel der akustischen Möglichkeiten. Dann die Partituren, die trotz improvisatorischer Freiheit das Konzept im Griff haben. Vor allem aber die Musik selbst. Muthspiel überführt John Dowland in die Gegenwart. Dabei genügt es ihm nicht, den Zyklus "Lacrimae Or Seven Tears" zu bearbeiten. Er will in der Unterfahrt vielmehr mit einer Prise Hintersinn den Beweis führen, das zwischen der Musik der Renaissance und dem Jazz nur graduelle, aber kaum strukturelle Unterschiede bestehen. Es sind Auflösungen ohne große Gesten, die das Hören dabei zur Überraschung werden lassen. Denn es ist oft nicht mehr nachzuvollziehen, aus welcher Quelle sich die Linien, Melodien und Motive speisen, ob sie noch komponiert oder schon improvisiert, altenglisch oder neuösterreichisch sind.
Muthspiel selbst agiert als Zeremonienmeister seiner Gleichgesinnten, lässt dem Vibrafonisten Franck Tortiller Raum für ausladend rankende, perlende Läufe, gibt dem Trompeter Matthieu Michel die Möglichkeit zu coolen, lyrischen Exkursen und baut auf die höfliche, empathische Gelassenheit des Bassgitarristen Steve Swallow, dessen melodische Gestaltungskraft die Musik im Ganzen klammert. Dazu ein paar Gschichterl zur Auflockerung. Mit dieser Band gelingt Muthspiel das Agieren auf vielen Ebenen, und es ist eine Freude, Musik ohne gedankliche Grenzen auf derart betörend souverän präsentierte Weise zu erleben.