Kurzkritik:Philharmoniker im Glück

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Barbara Hannigan verändert den Konzertbetrieb

Von Egbert Tholl, München

Was für eine fantastische Inszenierung. Am Anfang ist das Dunkel, und in der Finsternis der Philharmonie spielt Herman van Kogelenberg Debussys "Syrinx" für Flöte solo. Links oben auf einer Technik-Empore steht der Soloflötist der Münchner Philharmoniker und füllt den Raum mit magischem Klang. Dann erhellt sich dieser, Orchester und Dirigentin werden sichtbar, und später wird man wissen, dass dieser Beginn, so überzeugend inszeniert er ist, keineswegs die maßgebende Veränderung des normalen Konzertbetriebs an diesem Abend gewesen sein wird. Die besteht im gesamten Konzert und vor allem in der Leistung Barbara Hannigans.

Die Dirigentin und Sopranistin ist bekannt für ihre unabdingbaren, hochexpressiven Auftritte. In dieser Hinsicht ist sie fast zurückhaltend an diesem Abend, sieht man von Sibelius' sehr eigenwilligem "Luonnotar" ab, das Hannigan dirigiert und singt, mal zum Publikum gewandt, mal zum Orchester hin, ein zwingender Ansatz der Vermittlung von Musik, die ein Leben sehr außen am Rande des normalen Kanons führt. Danach dirigiert Hannigan Haydns Symphonie Nr. 96, ganz normal, unendlich freundlich, mit an sich viel zu großer Besetzung, aber doch hinreichend transparent und von einer umwerfenden Klangschönheit, die vergessen lässt, dass man sich inzwischen bei Haydn eigentlich an eine agile Schlankheit gewöhnt hat.

Makellos schön und keineswegs nervenaufreibend gelingt auch die Orchesterfassung von Schönbergs "Verklärter Nacht". Und ist nur ein Vorgeschmack auf die darauf folgende Überwindung des oft so starr gebauten Konzertbetriebs. Mit Bill Elliott zusammen hat Barbara Hannigan aus Gershwins "Girl Crazy" eine Suite gebaut, mit - in den Orchesterüberleitungen - Momenten verblüffender Moderne und den drei Songs "But not for me", "Embraceable You" und "I got rhythm", aus denen sie eine dirigistische, singende Performance macht, das Orchester mitsingen lässt und von diesem zu Recht und mit Freude gefeiert wird. Ein Ereignis!

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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