Kurzkritik:Orkanstärke

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Komödiant Tobias Mann fegt durchs Lustspielhaus

Von Thomas Becker, München

Im Kabarett gewesen. Gelacht. Und wie! Dabei hatte man zunächst Sorge, von Tobias Mann, diesem Temperamentsbolzen, verbal überrollt zu werden. War aber gar nicht schlimm. Turbo-Tobi fegt zwar mit Orkanstärke durchs Lustspielhaus, hat aber inhaltlich viel im Tank, gibt den Undercover-Aufklärer und Musik machen kann er auch noch. Ein begnadeter Komödiant und Entertainer, jung, frech, vital, vielfältig. Gewann zuletzt den Deutschen Kleinkunstpreis sowie den Deutschen Comedypreis für die Late-Night-Show "Mann, Sieber!", die der Mainzer seit 2015 mit Christoph Sieber bestreitet.

Die "Anstalt" hatte das ZDF dem Duo nicht zugetraut. Vor fünf Jahren gab es für die Nachfolge von Urban Priol und Frank-Markus Barwasser ein Casting im Arri-Kino: Das Gegensatz-Duo mit dem hyperaktiven Mann und dem bräsigen Sieber unterlag gegen Max Uthoff und Claus von Wagner. Im sechsten Programm "Chaos" hat sich Mann nun eine Herkulesaufgabe vorgenommen: Er will ruhiger werden, sich nicht mehr so doll aufregen. Weniger Wut, mehr Gleichmut. Man ahnt es: Das kann nicht klappen. Dafür hat dieser Irrwisch zu viel Energie und zu wenig Neigung zum Selbstbetrug. Auf politisch korrektes Gesinnungskabarett - das, was alle eh schon wissen, aber in lustig - hat er keinen Bock mehr: Bringt eh nix, frustriert nur, und geändert hat sich davon noch nie was.

Logisch, dass er es dennoch probiert. Sein Mantra: Mut haben, sich einfach mal Mühe geben, und wenn es nur beim Kreuzworträtsel ist. En passant und doch dezidiert thematisiert er Klimawandel, Asyl- und Schulpolitik, klagt über das grassierende Influencer-Virus, beschreibt die Eskalationsstufen von Online-Diskussionen, demaskiert den Trend zum Vorurteil, hat zum Thema Kirche und Missbrauch eine herzhafte Meinung - und ärgert sich angeblich nur, dass er mal wieder keine lustigen Witze über Ikea, die Bahn oder einparkende Frauen gemacht hat. Chaos? Keine Spur. Mann weiß genau, wofür er den Aufreger spielt.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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