Kurzkritik:Ohne Sperenzchen

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Nagano, Steinbacher und die Göteborger Symphoniker

Von Andreas Pernpeintner, München

Die Tondichtung "Finlandia" von Jean Sibelius ist ein schneidiges Stück. Sie ist so pathetisch, wie der Titel vermuten lässt, vereint hymnische Emphase und mächtiges Schlachtengeschepper. Doch genau eine derartige musikalische Huldigung an das in seiner Selbstbestimmung vom übermächtigen Russischen Reich bedrohte Finnland war Sibelius' Absicht. Dass die Musik dabei recht simpel und plakativ strukturiert ist, mag vor diesem Hintergrund zweitrangig sein. Die Göteborger Symphoniker, die unter der Leitung von Kent Nagano in der Philharmonie gastieren, spielen das Werk plastisch, aber mitunter auch etwas suppig und nicht mit der notwendigen Genauigkeit, obwohl die in Naganos Vorgaben erkennbar war.

Die Zuhörer sind zahlreich in den Gasteig gekommen. Das dürfte am früheren Münchner Opern-Generalmusikdirektor liegen, sicherlich aber auch an Arabella Steinbacher. Die aus München stammende Geigerin ist eine hinreißende Virtuosin, ihre Herangehensweise an Mendelssohns e-Moll-Violinkonzert in jeder Nuance charmant. Ohne klangliche Sperenzchen agiert sie mit einer präzisen, unaufgeregten Geradlinigkeit, die, mit solch technischer Brillanz dargeboten, dieser feingliedrigen Musik wunderbar zu Gesicht steht - im Geschwinden, aber auch in den melodisch lyrischen Passagen, die auf diese Weise köstlich süß aber nie süßlich klingen.

Es wäre eine Interpretationsauffassung, die eigentlich von einem Orchester unter der Leitung des akkuraten Kent Nagano perfekt aufgegriffen werden könnte. Die Göteborger Musiker begleiten oft auch ansprechend. Um für Arabella Steinbacher bei dieser Mendelssohn-Darbietung ein wirklich angemessener Partner zu sein, fehlt es dem Orchester aber schlicht an der exakten Koordination. Dieses Problem ist auch nach der Pause bei Brahms' Erster Symphonie nicht vollständig gelöst. Das Andante ist dadurch eher diffus schummrig als voller Wärme. Dennoch gelingt ein ausdrucksstarkes Musizieren - dank beherzten Einsatzes des Dirigenten. Kent Naganos Popularität beim Münchner Publikum mag mit ein Grund dafür sein, dass der Abend erst nach zwei Orchesterzugaben (darunter die "Morgenstimmung" aus Griegs erster Peer-Gynt-Suite) zu Ende ging.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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