Kurzkritik:Noch mehr Sample

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Das "Hidden Orchestra" bedient sich vieler Genres

Von Jürgen Moises, München

Das Resamplen, Remixen, Recyclen, Rekonstruieren gehört in der Musik längst zum Alltag. Auch in den Instrumentalstücken von Joe Acheson und seinem Hidden Orchestra ist es das grundlegende Prinzip. Das sah auf den bisherigen Alben "Night Walks" und "Archipelago" weitgehend so aus, dass Acheson Elemente aus dem Jazz, der Klassik, der elektronischen, experimentellen Musik aufgriff und diese in vielschichtige, elektro-akustische Klanglandschaften verwandelte. Auf dem aktuellen Album "Reorchestrations" treibt der schottische Komponist, Bassist, Multi-Instrumentalist und DJ das Ganze noch ein Stückchen weiter, indem er konkrete Elektronik-, Jazz-, Klassik- und Folklore-Stücke von anderen Komponisten aufgreift und diese eben "reorchestriert".

Wie das klingt, konnte man beim Konzert des Hidden Orchestra im Ampere erleben, das in der Live-Variante neben Acheson an den elektronischen Reglern aus den Schlagzeugern Tim Lane und Jamie Graham, der Geigerin und Pianistin Poppy Ackroyd und einem Visual Artist besteht. Dass das Ganze ziemlich beat-lastig daherkommt, lässt sich an der Band-Zusammenstellung schon erahnen. Und tatsächlich sind es die auf der Bühne vorne sitzenden Schlagzeuger, die das Klang-Gewand des Hidden Orchestra maßgeblich bestimmen. Zusammen mit den Synthie-Beats, Samples und Bass-Läufen, die der Bart- und Brillenträger Acheson aus seinem Synthesizer jagt, erzeugen die vertrackten Schlagzeug-Rhythmen ein gewisses Trip-Hop-Feeling. Wenn Schlagzeuger Tim Lane ab und zu zur Posaune greift, verschiebt sich der Schwerpunkt mehr in Richtung Jazz. Und wenn Poppy Ackroyd elegische Geigen- und Piano-Töne beisteuert, fühlt man sich immer wieder an das artverwandte Cinematic Orchestra erinnert.

Deren Epigonen sind die Schotten trotzdem nicht. Denn wenn Acheson & Co etwa in der Bearbeitung von Stücken wie "5 Steps" der Clarinet Factory oder "Thograinn Thograinn" von MacMaster und Hay deren folkloristisches Substrat aufgreifen, dieses mit Samples, Jazz- und Trip-Hop-Beats verdichten, dann ergibt das eine ganz eigene, komplexe Klang-Struktur, die dennoch groovig und tanzbar bleibt. Und die vom Publikum auch entsprechend honoriert wird.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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