Ein Tisch dient im Normalfall dem Essen. Oder dem Arbeiten. Eine simple Gebrauchsfläche, die so sehr mit alltäglichen Handlungen verknüpft ist, dass allein ihre Zweckentfremdung schon für jene Erfrischung sorgt, die der Abend "Songs at a Table" im Schwere Reiter bietet. Doch mit der Norm haben es die Künstler an diesem Abend sowieso nicht so: Sechs Komponisten schrieben Stücke für Sopran und Tisch. In diesen Uraufführungen dient der Tisch dann mal im klassischen Sinne des Auf-den-Tisch-Hauens als Percussion-Instrument, dann suggeriert die Fläche ein imaginäres Gegenüber oder ist schlicht Abstellfläche.
Doch Irene Kurka, Sängerin und einzige Akteurin des Abends, wird den verschiedenen Szenen schauspielerisch gewitzt gerecht. Auch wenn nicht alles so witzig ist wie Tom Soras "Hey Kellner, bring mir den Schweinebraten!", das den Abend eröffnet. Ein kurzes Stück, aufbauend auf der recht traditionellen Wirtshaustisch-Äußerung. Doch Kurkas Sopran schafft eine seltsame Atmosphäre der Ernsthaftigkeit, die sich im zweiten Teil des Textes einlöst. Kein Schweinebraten bedeutet auch kein Essen und kein Essen bedeutet tot. Dementsprechend düster geht es weiter: Die zweite Szene (Thomas Stieglers "Treibgut IV") würfelt in dramatischer Kirchenlied-Atmosphäre Anagramme auf den Satz "Wir lieben den Tod" durcheinander.
Immer wieder wird die dramatische Überhöhung des Sopran-Gesangs mit der Alltäglichkeit des Tisches oder des Textes gegengeschnitten. Besonders gut funktioniert das in Christoph Reiserers "News" und Nikolaus Brass' "to day". In Reiserers Stück werden Zeitungstexte, also derzeitige Realität, durch die Künstlichkeit der Gesangsform verdreht, während Brass die Sängerin in Wortfetzen das pure Jetzt erfahren lässt; dieses aber mit ein paar anheimelnden Koloraturen ausschmückt. Ein unterhaltsamer, wenn auch verschrobener Abend, der gerade durch sein Nischen-Programm, in dem oft glatten Konzertbetrieb ausgesprochen gut tut.