Kurzkritik:Nicht von dieser Welt

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Lang Lang konzertiert in der Philharmonie

Von Rita Argauer, München

Virtuosität hat zwei Gesichter. In der Musik ist sie immer Mittel zum Zweck der Ausübung diverser Werke. Und manchmal kann über die technische Versiertheit auch eine Sehnsucht, eine Ahnung von Transzendenz oder von Außerweltlichkeit erzeugt werden.

Es gibt aber auch Stücke, da dient sie vor allem dazu, ganz weltlich die Sensation eines unglaublich virtuosen Künstlers zu zeigen. Das Konzert von Lang Lang mit den Wiener Philharmonikern unter Gustavo Dudamel bewegt sich sowohl programmatisch als auch künstlerisch an diesen Grenzen. Lang Lang spielt außerweltlich Klavier. Und das ist beeindruckend, allein schon, weil man sich fragt, wie sein Hirn diese vielen Noten in dieser Geschwindigkeit wahrnehmen kann. Und Tschaikowskys erstes Klavierkonzert ist dafür gut konzipiert. Es eröffnet großgestisch den Ring für die überwältigende Demonstration technischer Kunstfertigkeit. Lang Lang lässt den Flügel dabei donnern, ein lauter metallener Klang dominiert, gegen den der warme, aber etwa auch etwas dunkle Wiener Streicherklang kaum durchzudringen vermag. Und Lang Lang mag die Extreme, er rast, bremst schnell in weiches Plätschern ab, steigert sich zu erneuter Geschwindigkeit und Lautstärke. Ein wenig fehlt da jedoch der ideelle Zusammenhang, es stellen sich Fragen, warum er wohin steuert mit seinem wahnwitzigen, aber ebenso beeindruckenden Spiel. Und so gibt es Momente, in denen seine technische Fähigkeit etwas arriviert wirkt und nicht mehr über ihren demonstrativen Selbstzweck hinauszureichen vermag. Anschließend gibt es auch noch Raum für Versiertheit im Ensemble. Denn Ravels Orchestrierung von Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" ist ein Virtuosenstück für Orchester. Und die Wiener können das mit warmen Blechbläsern und Streichern wie aus einem Körper füllen, auch weil sie anschaulich und spielerisch durch den bildreichen Musikzyklus führen.

© SZ vom 25.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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