Kurzkritik:Neue Welten

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Linus Roth glänzt mit den Münchner Symphonikern im Herkulessaal

Von Klaus Kalchschmid, München

So viel Luft und Licht, Wasser und Wind atmet kaum ein Konzert wie das großartige der Münchner Symphoniker im Herkulessaal. Christian Josts Violinkonzert "TiefenRausch" wurde eingerahmt von Benjamin Brittens düster leuchtenden "Four Sea Interludes" samt Passacaglia aus "Peter Grimes" und Claude Debussys mediterran glitzernder Tondichtung "La Mer". Dass diese Werke zu Beginn, in der Mitte und am Ende des 20. Jahrhunderts entstanden sind, hörte man an den vielfältigen Beziehungen in Klang und harmonischer wie rhythmischer Struktur, von den Symphonikern unter Kevin John Edusei in großer Farbpalette dargeboten.

Trotz der packenden Seestücke Brittens und der Fülle irisierenden Wohllauts bei Debussy stach doch das Violinkonzert aus dem Jahr 1997 mit dem souveränen Linus Roth heraus: Je zwei Sätze gruppieren sich um eine große Solokadenz, mit "Freiräume" überschrieben. "TiefenRausch" beginnt mit einem großen Rezitativ der Solovioline, als würde ein einsamer, an die Wasseroberfläche blickender Taucher mit dem wogenden Etwas aus Wasser und Licht verschmelzen. Auch später kann man sich - muss es aber nicht - derartigen Assoziationen hingeben: etwa wenn plötzlich Vibrafon und Marimbafone eine neue Welt erschaffen, im "Flucht" genannten zweiten Satz pulsierende Rhythmen das musikalische Geschehen vorantreiben oder im mit "R.E.M." überschriebenen "sehr langsam, mit getragener Ruhe" zu spielenden vorletzten Satz ein tranceartiger Schlaf einsetzt, dem eine kurze Coda der Befreiung oder Auflösung folgt.

Christian Jost gelingen fantastische musikalische Bilder, in denen manchmal die Sologeige fast untergeht angesichts gewaltiger Blechentladungen. Auch im Ver-such, die unisono mitspielenden Streicher zu führen, gelangt sie manchmal an den Rand des Verschwindens. Oftmals behauptet sich aber Linus Roth mit facettenreichem Ton aufs Schönste, bevor er mit höchster Virtuosität eine Ballade Eugène Ysaÿes zugibt.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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