Kurzkritik:Neue Jazz-Identität

Das Quintett "Twi-Life" in der Unterfahrt

Von Ralf Dombrowski, München

Als schon etwas Musik ins Land gegangen war, macht Marcus Strickland eine Ansage. Das nächste Lied mit dem Titel "Truth" widme er Prince, einem genialen Musiker, der sich nie von Firmen oder Ansprüchen habe verbiegen lassen. Mitch Henry startet ein Hammond-Intro, ein wenig wie bei einem Gottesdienst, und dann legt die Band noch einmal an Intensität zu, spürbar bewegt von den Erinnerungen an einen Mann, der viel zur Wertschätzung afroamerikanischer Kulturidentität beigetragen hat. Denn auch darum geht es in der Musik des New Yorker Saxofonisten Strickland und seines Quintetts Twi-Life. Ähnlich wie bei anderen Vertretern des erstarkten afroamerikanischen Jazzbewusstseins wie Kamasi Washington, Robert Glasper oder Esperanza Spalding formuliert sich hier eine Tendenz zur Verknüpfungen groovebetonter Stilelemente, die den schwarzen Jazz der Sechziger und den Fusion-Sound der Siebziger mit Soul und Hip-Hop-Beats, Improvisation und Ekstase verschmilzt.

Die ausgebufften Harmonien, mit denen man noch vor einem Jahrzehnt bevorzugt hantierte, weichen dabei einem rhythmisch-melodischen Konzept, das sich bei Twi-Life in der Unterfahrt oft mit zwei Akkorden begnügt, die aber komplex zu viertelstundenlangen, sich stetig steigernden Stücken verarbeitet. Der kraftvoll, zugleich differenziert akzentuierende Schlagzeuger Charles Haynes und Kyle Miles' intuitiv groovender E-Bass sorgen für eine hitzige Basis, Mitch Henry fügt ornamentierende Akkorde und schillernde Rhodes-Soli hinzu. Strickland selbst greift weit ausholend auf die Spieltechniken der souljazzenden Moderne zu, während Sängerin Jean Baylor noch etwas Diven-Charme ins Programm holt. Das klingt sehr urban, sehr aktuell, sehr sicher im Bewusstsein nicht neu, aber nachhaltig im Flow der Gegenwart zu sein.

© SZ vom 30.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: