Kurzkritik:Murmeltier-Moll

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Das ladinische Pop-Trio "Ganes" im Volkstheater

Von Claus Lochbihler, München

Prinzessinnen, die sich in Murmeltiere verwandeln. Verwunschene Wollknäuel. Salvans, die die dunklen Berge mit Mondlicht überziehen, damit die entführte Mondprinzessin auch an der Seite ihres Dolomitenprinzen glücklich wird. Und immer wieder Murmeltiere. In den ladinischen Sagen, die Ganes im Volkstheater besingen, geht es um Verwandlungen. Um Metamorphosen, wie sie außer im Märchen sonst nur in der Musik möglich sind.

Aus himmlischer Mehrstimmigkeit schält sich eine Solostimme heraus. Das altehrwürdige Hackbrett von Elisabeth Schuen verwandelt sich in ein hippes, elektronisches Instrument. Der Musik-Manager mutiert zum Märchenonkel und Erzähler, der auf Deutsch die Sagen vorliest, die gleich darauf Ladinisch erklingen. Dann wird aus Dur Murmeltier-Moll und aus Volkstümlichen so eine Art ladinischer Weltmusik-Pop. Elektronisch angereichert, teilweise mit Beats und tiefem Bass unterlegt und durch die Keyboard- und Klavierklänge von Nick Flade ins Epische geweitet, erklingen Soundlandschaften, die manchmal etwas flächig auf der Stelle treten und Gefahr laufen, sich im Soundtrack zur Südtirol-Fantasy zu verlieren. Das Ganze könnte etwas fad und kitschig enden, wäre da nicht die große Musikalität der zwei Schwestern Elisabeth und Marlene Schuen und die musikalische Indie-Coolness von Maria Moling.

Moling ist die Sheila E von Ganes: An der Perkussion und E-Gitarre bringt sie Ganes zum Grooven - mit Rhythmen, die aus Gefälligem zeitgenössischen, lässigen Pop machen. Als sie sich ans Klavier setzt und für eine Nummer über die Sirenen - also die Cousinen vom Meer der ladinischen Wassernixen - singt, ist das der Höhepunkt des Abends: Die Frau hat auch eine Pop-Stimme, so groß und noch größer als ihr Mund und ihre Augen. Und Ladinisch klingt bei ihr so vertraut wie Pop-Englisch. Volkstümlich und ganz ohne Elektronik dann die Zugabe: ein dreistimmiger Jodler. So tief, so hoch und so schön wie die Dolomiten.

© SZ vom 22.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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