Kurzkritik:Mensch-Maschine

Lesezeit: 1 min

Die amerikanische Band "Poliça" im Technikum

Von Stefan Sommer, München

Wie eine mechanische Schlagzeugapparatur verbinden sich die rhythmischen Bewegungen der beiden Schlagzeuger Drew Christopherson und Ben Ivascu von der Band Poliça zu einer gewaltigen Mensch-Maschine. Im Takt stößt das vier-armige Bum-Tschak-Getriebe seine Drum-sticks pumpend wie Zylinder und Kolben auf die Trommeln. Die Percussion-Arbeit der beiden Musiker im Technikum am vergangenen Samstagabend ist präzise wie ein deutscher Verbrennungsmotor.

Auf diesem Fundament walzten die Songs der Band voran. Um die verzerrte Stimme der Sängerin Channy Leaneagh, die klar im Zentrum der Songs stand, wucherten sirenenhafte Synthie-Spielereien, triefend-wummernde Bassläufe und sphärische Flächensounds. Zwischen After-Hour-Club-Melancholie und Trip Hop-Referenzen mäandernd, arbeiten Poliça seit ihrem Debüt 2012 mit Echo-Effekten und Vocal-Samples an einer Hybridisierung und Öffnung des Indie-Rock-Genres. Die Band klingt wie ein durch Snapchatfilter gejagtes, verpixeltes Ölgemälde einer nächtlichen Landschaft, die von grellen Blitzen wach gerissen wird.

Der Auftritt im Technikum schien bis ins Detail geplant, geprobt und getaktet: Die Gruppe aus Minneapolis trug dem Publikum ihr brillantes letztes Studioalbum "United Crushers" ohne Brüche, Überraschungen oder Improvisationen vor. In dieser werktreuen Aufführung ihrer Kompositionen funktionierten kristallblaue Stücke wie "Wandering Star", "Lime Habit", "Melting Block", alte Hits wie "Dark Star" oder einige ganz neue Stücke im Live-Kontext ausgezeichnet - auch wenn die konzentrierte Darbietung Channy Leaneaghans, jetzt mit kurzen, dunklen Haaren, kühl und fast manieristisch wirkte.

Eine Erklärung dafür lieferte sie am Ende selbst, als sie charmant gestand, normalerweise ein "Straight Edger" zu sein, also ohne Alkohol, Tabak und Drogen zu leben. Aber heute hätte sie etwas Verrücktes getan und Whiskey getrunken. "Well, I'm drunk. Damn."

© SZ vom 07.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: