Kurzkritik:Leichte Kost

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BR-Symphoniker unter David Robertson

Von MICHAEL STALLKNECHT, München

"Leggiero scherzando", "leicht und scherzhaft" lautet eine der Spielvorschriften, die Igor Strawinsky in die Partitur zu seinem "Capriccio" für Klavier und Orchester gesetzt hat, "leggiero grazioso", "leicht und graziös" eine andere. Joseph Haydn musste so etwas gar nicht erst hineinschreiben in die Partitur zu seinem D-Dur-Klavierkonzert Hob. XVIII:11, es verstand sich innerhalb der Klassik von selbst - was den Unterschied zum Neoklassizismus zeigt, den das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit einer dramaturgisch klugen Programmzusammenstellung auslotete.

Emanuel Ax spielte in der Philharmonie den Solopart, wobei er Haydns bekanntestem Klavierkonzert mit seinem pointierten, dabei zugleich runden Anschlag etwas vom Klang des Hammerklaviers mitgab, im Understatement eines Meisters, der das Klassische im kleinen Finger hat. Dem seltener gespielten Capriccio Strawinskys hätte dagegen eine Probe mehr nicht geschadet, um die raffinierten Dialoge des Klaviers mit den vier konzertierenden Orchestersolisten wirklich in die Leichtigkeit zu treiben.

Dennoch können die BR-Symphoniker im klassisch-klassizistischen Fach natürlich ihrer Brillanz vertrauen, kam die Durchsichtigkeit des Orchesterklangs auch den beiden rahmenden Stücken von Maurice Ravel zugute, der Orchestersuite "Le tombeau de Couperin", die auf barocke Formen zurückgreift, und der Ballettversion von "Ma mère l'oye", die barocken Märchen nachsinnt. Der Dirigent David Robertson steigerte die Transparenz ins Nuancenhafte, indem er Farben fast ausschließlich im Piano-pianissimo-Bereich auslotete, womit das Programm einen deutlichen Kontrast setzte zur allgemein kalorienreicheren musikalischen Kost der Vorweihnachtszeit. Wenig zu spüren dagegen war vom Scherzhaften, das aus dem Spiel mit der Form in all diesen Stücken hervorgehen könnte, aus dem parodistisch Uneigentlichen, mit dem der Neoklassizismus der verlorenen Leichtigkeit des klassischen Zeitalters nachträumte.

© SZ vom 22.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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