Kurzkritik:Leicht lasziv

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Der australische Popstar Troye Sivan in der Tonhalle

Von Vivian Harris, München

Der letzte Song ist vorbei, die Band verlässt die Bühne. Aber nur, um gleich danach und wenig überraschend für eine Zugabe zurückzukehren. Das Spiel kennt auch Troye Sivan: "Wir tun jetzt so, als wäre das mein allerletztes Lied", sagt er. "Ihr seid alle ganz traurig, ruft irgendwas, stampft von mir aus auch auf den Boden. Und dann komm' ich raus, und wir feiern noch einmal richtig zusammen." Gefeiert wird Toleranz und Diversität, wie der australische Popstar bereits in einem Video angekündigt hatte. Eine "große schwule Tour" sollte es werden, und eine theatralische Show mit Drama, Intimität und Liebe.

Zunächst klappt das mit der Theatralik allerdings nicht so gut. Eigentlich sollte ein Vorhang fallen, hinter dem der 23-jährige Australier wie Phoenix aus der Asche erscheint. In der Tonhalle ist die Decke dafür aber nicht hoch genug, einen passenden Balkon gibt es auch nicht. Mit knapp über 1,70 Metern Körpergröße passt der zierliche Sänger, der seine Karriere als Schauspieler und Youtuber begann, aber gerade so in eine Equipment-Box, in der er, ohne erkannt zu werden, in die Mitte der ausverkauften Halle bugsiert werden kann. Von dort aus startet er seine Show, angeleuchtet nur von einem roten Lichtstrahl und den Handys der Fans. Auf der Bühne angekommen, stolziert er herum wie eine Neunzigerjahre-Diva, lässt die Hüften lasziv kreisen oder liegt lässig auf einer Couch, während er mit makelloser Stimme zu eingängigen Popmelodien singt. "Bloom" ist eine verführerische Dance-Pop-Nummer, "Bite" kommt dagegen als verträumt düstere Synthie-Ballade daher, während das sentimentale "Heaven" von Sivans Coming-out-Erfahrung handelt.

Sich zu outen, sagt er, bedeute schreckliche Angst, und sei dabei aber gleichzeitig ein Triumph. "Jetzt kann ich endlich genau das machen, was ich will, und muss mich nicht mehr verstecken." Sivan zeigt sich als extrovertierter Popstar, humorvoller Unterhalter und begabter Songwriter. Und er zeigt, dass Mainstream-Pop nicht mehr hetero sein muss.

© SZ vom 15.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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