Kurzkritik:Lebenssucher

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Ronja von Rönnes Roman "Wir kommen" im Zentraltheater

Von Egbert Tholl, München

Als Ronja von Rönne, geboren 1992 in Berlin, ihren Roman "Wir kommen" veröffentlichte, war sie der Jugend eben entwachsen und bereits eine für ihre Generation nicht unwichtige Figur als mehr oder weniger Journalistin und leicht aufreizende Bloggerin, die auch mal, spaßeshalber oder nicht, mit postmetafeministischen Thesen hantierte. Dem Titel nach könnte man ihren Roman für ein bahnbrechendes Statement ihrer Generation halten, was er nicht ist.

Es geht darin um Nora, die für ihren Therapeuten Tagebuch führen soll, um ihre Panikattacken in den Griff zu kriegen. Und so schreibt sie auf, wie es war mit Karl, Leonie und Jonas, die alle ineinander oder miteinander verliebt waren. Das ist bemerkenswert harmlos und nutzlos, und wenn man sich in etwa im angenommenen Alter des Therapeuten befindet, dann denkt man sich, Mädel, erleb' erst mal was. Das hat Ronjas Nora insofern, als die Vierer-Konstellation eine Reminiszenz an eine längst vergangene, ähnliche Gruppierung ist, die damals von Maja bestimmt wurde, die so wild war, dass sie von einer Brücke sprang. Diese Geschichte allerdings wirkt wie ein mühsam nach Aufmerksamkeit gierendes Konstrukt.

Wurscht, denn im Zentraltheater nahmen sich Lea Ralfs und Max Wagner (in seinem Halbregiedebüt) das Buch vor, pressten aus ihm eine rasante Theaterfassung heraus, die sie mit der nun tatsächlich jugendlich inspirierten Verve ihrer Darsteller umsetzten. Franz-Xaver Zeller, Anuschka Tochtermann, Nicolas Wolf und Malene Becker schaffen es mit ihrer - unterschiedlich ausgeprägten und teils bebenden - Natürlichkeit, dem Text eine überraschende Wahrhaftigkeit zu verleihen. Ralfs und Wagner haben Gespür für Rhythmus und viele gute Ideen, integrieren Poetry Slam und Songtextfragmente und machen so fast vergessen, dass Rönnes Roman vor allem von der vagen Sehnsucht nach etwas Absentem kündet: Relevanz.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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